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BSW-Parteitag: Das Wahlprogramm heißt Wagenknecht
Wolfgang Hübner über den BSW-Versuch eines neuen Aufbruchs ins Wahljahr 2026
Es war ein irgendwie gemäßigtes Bündnis Sahra Wagenknecht, das man am Wochenende beim Parteitag in Magdeburg erleben konnte. Natürlich wurde wie gewohnt gegen die gesamte politische Konkurrenz von Koalition bis Opposition ausgeteilt, wobei die schärfsten Töne nicht der AfD galten. Aber die Polemik gegen Migration und Migranten, die man in der Gründungsphase und im Bundestagswahlkampf erlebte, wurde auf dem Parteitag deutlich zurückgenommen. Es wird sich zeigen, ob da ein Umdenken im Gang ist oder ob es eher vorübergehende taktische Zurückhaltung ist, weil vor allem Wagenknechts Vorstöße zur Migrations- und Asylpolitik nicht gerade Punkte im Wahlkampf gebracht haben.
Vorerst stellt man sich vor allem als Kraft für soziale Gerechtigkeit und Frieden dar und wendet sich vehement gegen Aufrüstung, Waffenexporte und Wehrpflicht. Wobei die führenden BSW-Leute nicht müde werden zu betonen, dass ihre Partei die einzig wahre Friedenspartei sei. Das dient der Abgrenzung zur Linkspartei einerseits, über die ein paar Ladungen Spott ausgekippt wurden, und zur AfD andererseits. Wie üblich beim BSW wurde die Brandmauer gegenüber der Rechtsaußen-Partei für Unsinn erklärt; der bisherige Generalsekretär Christian Leye behauptete zudem, das BSW sei die einzige Partei, »die ein Konzept für den Umgang mit der AfD hat«.
Den Bericht zum Magedurger BSW-Parteitag finden sie hier, die Hintergründe aus unserer Wochenzeitung zum Thema hier.
Gemessen an diesem tönenden Anspruch ist das Resukltat bislang mager. Die Wahlergebnisse und Umfragewerte der AfD steigen, die des BSW sinken oder stagnieren auf niedrigem Niveau. Selbst im Saarland, vor der Haustür von Wagenknecht und Lafontaine, liegt die AfD mit 23 Prozent nur noch knapp hinter SPD und CDU, das BSW dagegen bei drei Prozent. Die Stärke der AfD hat gewiss viele Ursachen; die Zahlen relativieren aber die BSW-Pose, allein über eine Art Geheimrezept zu verfügen.
Das BSW wieder in die Offensive zu bringen, wird Aufgabe der neuen Führung sein. Dazu gehört auch der Umgang mit den Auseinandersetzungen rund ums Mitregieren in den beiden ostdeutschen Ländern Thüringen und Brandenburg. Vor allem das auf dem Parteitag mehrfach deutlich kritisierte, ja sogar gemaßregelte Thüringen wird weiter ein Konfliktherd im BSW sein, zumal der Landesverband selbst in der Regierungsfrage gespalten ist. Im 13-köpfigen Präsidium sind indessen die Ostdeutschen in krasser Unterzahl; auch Frauen und Menschen, die nicht aus der Linken kommen, sind jeweils deutliche in der Minderheit. Darin spiegelt sich nicht die Vielfalt, die an der Basis durchaus vorhanden ist. Der Führungsstruktur zufolge ist das BSW weiterhin vor allem Produkt einer westdeutschen Linke-Abspaltung.
Um die Wahlchancen im nächsten Jahr zu verbessern, soll der veränderte Parteiname (BSW steht demnach künftig für Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft) nicht im April 2026 in Kraft treten, wie ursprünglich geplant, sondern erst im Herbst. Also nach den Landtagswahlen in Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Dafür mag es formale Begründungen geben, aber vor allem zeigt es, dass diese Partei der Überzeugungskraft ihrer Programme und Positionen nicht so recht über den Weg traut. Vieles müsse noch entwickelt und präzisiert, hieß es in Magdeburg. Das BSW mag neue Vorsitzende und ein neues Präsidium haben, doch sein Programm, zumindest aber das Wahlprogramm besteht nach wie vor hauptsächlich aus zwei Worten: Sahra Wagenknecht. Das ist ziemlich dünnes Eis für die politische Auseinandersetzung; die Umfragewerte bestätigen es. Da können die BSW-Protagonisten noch so oft betonen, dass es sich nicht um eine Eine-Person-Partei handelt.
Einen Einblick in die Gründung des BSW gab es auch. Mehrere Redner, darunter der bisherige Generalsekretär Leye, bekannten, seit bis zu vier Jahren am Aufbau einer neuen Partei gearbeitet zu haben. Das heißt: Als die Führung der Linken im Sommer 2023 nach jahrelangen Auseinandersetzungen einen Schlussstrich zog und eine Zukunft der Partei ohne Wagenknecht beschloss, war die BSW-Abspaltung längst in Arbeit. Dennoch behaupteten Wagenknechts Anhänger und auch manch anderer in der Linken, Wagenknecht sei aus der Partei gedrängt worden. Dieser Teil der Wahrheit sollte nicht vergessen werden, wenn einmal die Geschichte der Linken mit all ihren Irrungen und Wirrungen geschrieben wird.
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