Es ist in diesen besinnlichen Tagen ausgesprochen beruhigend, dass die Politik national wie international von nachdenklichen, weitsichtigen Menschen geprägt wird. Gut, der eine oder andere mag sich zuletzt gefragt haben, ob Donald Trump überhaupt ein Hirn hat. Die Antwort ist: ja – und es sitzt im Kopf von Peter Thiel.
Der alttestamentarisch grundierte Tech-Milliardär und Paypal-Mitgründer gilt als Vordenker der Maga-Bewegung und hat eine interessante Theorie: Die Menschheit krankt an ihrer Manie, unkalkulierbare Risiken vermeiden zu wollen. Wer die neuen Technologien regulieren wolle, sei totalitär und diene – echt jetzt – dem »Antichristen«.
Das tue ich gerne und gestehe, dass ich genau deshalb den belgischen Premier Bart de Wever für einen klugen Mann halte, weil der dem Drängen der von der Leyens, Merzens und Macrons nicht nachgeben will, die in Belgien eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank an die Ukraine zu spenden. Der Mann fürchtet, dass Putin das als weitere Provokation empfinden würde. Ich habe jetzt auch mal Empathie walten lassen und mich in den Kreml hineinversetzt –und ja, ich glaube, de Wever hat recht. Im Thiel’schen Sinne wäre der Mann mit seiner Angst vor der Atombombe indes ein Versager und die Merzens wären die klugen Weltengestalter.
So richtig logisch scheint mir hingegen deren Weltsicht nicht: Den gleichen Mann, dem man zutraut, dass er so irrational ist, den Bündnisfall auszulösen, indem er das Baltikum oder Polen (oder Friesland) angreift, hält man für zu zögerlich, die Atombombe loszuschicken[1], wenn er sich in seiner Wahrnehmung zum wiederholten Mal provoziert fühlt? Ist das logisch? Oder hat der Soziologe Hartmut Rosa recht, wenn er die Frage aufwirft, ob weitere Waffenlieferungen an die Ukraine bei gleichzeitigem Verzicht auf Diplomatie nicht dazu führen könnten, dass die Ukraine weitere Territorien verlieren wird – und viele Zivilisten ihr Leben.
Doch das sind Gedanken, die den europäischen Spitzenpolitikern in den vergangenen vier Jahren so fremd waren, dass sie nicht eine einzige diplomatische Initiative[2] hinbekommen haben. Auch im Bundestag herrscht ziemliche Einigkeit in der Bräsigkeit. Und mal wieder ist mir hier Die Linke zu leise. Laut hingegen war das Gejohle kürzlich im Hohen Haus, als AfD-Ko-Chefin Alice Weidel sprach. Gejohle gegen Weidel ist meist gerechtfertigt. Und auch diesmal habe ich mich nicht über die Tatsache, allerdings sehr über den Zeitpunkt gewundert, an dem es einsetzte. Nämlich in dem Moment, als Weidel behauptet hatte, dass ihr vergorener Haufen als einziger »Gesprächskanäle« nach Russland und in die USA unterhalte.
Nun habe ich keinerlei Zweifel daran, dass die russischen Menschen auf der anderen Seite der AfD-Kanäle solche Gruselgestalten sind wie die Weidel-Buddies in den Staaten, viele von denen übrigens Tech-Bosse wie Peter Thiel[3]. Doch das war nicht der Anlass für das Gejohle. Stattdessen wurde etwas deutlich, das mir seit Langem auch beim Lesen vieler Leitartikel auffällt: Schon die Tatsache, dass man mit Menschen auf der russischen Seite überhaupt spricht, gilt als Frevel. Und das scheinen mir keine guten Aussichten für einen baldigen Frieden in der Ukraine zu sein.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1196039.krieg-in-der-ukraine-einigkeit-in-der-braesigkeit.html