Japan und China: Es brodelt im Ostchinesischen Meer

Zwischen Japan und China nehmen die Spannungen zu. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 5 Min.
Vor wenigen Tagen kamen sich Japans und Chinas Militär auf offener See ziemlich nah
Vor wenigen Tagen kamen sich Japans und Chinas Militär auf offener See ziemlich nah

Was am Wochenende für große Aufregung in Japan gesorgt hat, sei doch nur ein »normaler Vorgang« gewesen, kein Grund zur Aufregung. So gaben es Offizielle aus Peking am Montag zu verstehen, worauf in Japan wiederum hektische Headlines folgten. »Eilmeldung: China verteidigt Radarerfassung japanischer Kampfflugzeuge«, titelte etwa die Nachrichtenagentur Kyodo. Womit deutlich wurde, dass man in Tokio nichts daran »normal« findet. So wird der Konflikt zwischen Japan und China mal wieder hitziger.

Was ist los? Am Samstag sah sich Chinas Militär bei Übungen zur See von japanischen Flugzeugen gestört, wie es aus Peking hieß. Zwei japanische Kampfjets hätten sich den chinesischen Aktivitäten genähert, woraufhin ein chinesisches Flugzeug die japanischen ins Visier nahm. Japans Chefkabinettssekretär Minoru Kihara betont, die japanischen Flugzeuge haben sich in »sicherer Entfernung« gehalten, nennt die chinesische Aktion »extrem gefährlich.« China wiederum sieht die japanische Bewegung als Provokation.

Beziehungen verschlechtern sich täglich

Was im Lichte des Vorfalls nahe der zu Japan gehörigen Inselgruppe Okinawa außer Frage steht: Die Beziehungen zwischen Japan und China – der weltweit je viert- und zweitgrößten Volkswirtschaft – verschlechtern sich derzeit täglich. Denny Tamaki, Gouverneur der Präfektur Okinawa, wo sich zudem eine hohe Militärpräsenz der USA befindet, warnt schon: »Wir sind zutiefst besorgt, dass dies die regionalen Spannungen verschärft und zu einem unbeabsichtigten Zwischenfall führen könnte.« Tamaki warnt vor Krieg.

»Wir sind zutiefst besorgt, dass dies die regionalen Spannungen verschärft und zu einem unbeabsichtigten Zwischenfall führen könnte.«

Denny Tamaki Gouverneur der Präfektur Okinawa

Hintergrund dieser diplomatischen Abwärtsspirale zweier asiatischer Großmächte ist eine Äußerung der japanischen Premierministerin vor einem guten Monat. Am 7. November erklärte Sanae Takaichi – die erst gut zwei Wochen ihr Amt angetreten hatte – im Parlament in Tokio, dass sie einen Angriff Chinas auf die demokratisch regierte Insel Taiwan als Bedrohung für Japan interpretieren würde. Nach japanischer Rechtslage bedeutet dies, dass Japan dann Taiwan militärischen Beistand leisten könnte.

Peking droht immer wieder mit Angriff auf Taiwan

Auf dem chinesischen Festland – wo man sich noch kurz zuvor angesichts eines unberechenbaren US-Präsidenten auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit Japan verständigt hatte – hat dies Wut ausgelöst. Denn nach dem Ende des Chinesischen Bürgerkriegs 1949, als die siegreichen Kommunisten das Festland übernommen und sich die unterlegenen Nationalisten mit ihrer »Republik China« auf die Insel Taiwan zurückgezogen hatten, erhebt Festlandchina auch Anspruch auf Taiwan.

Seither droht der Ein-Parteienstaat Festlandchina – offiziell »Volksrepublik China« genannt – immer wieder mit einem Angriff auf Taiwan, im Namen der »Wiedervereinigung« mit dem Festland. Taiwan ist allerdings seit Jahrzehnten nicht nur eine Demokratie, sondern hat auch diverse Merkmale eines unabhängigen Staates, von einer eigenen Währung über eigene Reisepässe bis zu einem eigenen Militär.

Takaichi verharmlost japanische Kolonialvergangenheit

Die Sicherheitspartner Japan und die USA sind von der Drohung aus Peking, sich Taiwan einzuverleiben, aber längst nicht nur aus Mitgefühl für Taiwan alarmiert. Fiele Taiwan unter die Kontrolle Pekings, hätte die Marine der expansiv denkenden Regierung Festlandchinas ungehinderten Zugang zum Pazifik und damit den Weltmeeren, könnte mehrere Seewege auch für den Handel besser kontrollieren.

In Japan wollen gerade die Konservativen – zu denen Premierministerin Takaichi als Nationalistin zählt – einen weiteren Aufstieg Chinas verhindern. So war man wiederum in Peking ohnehin alarmiert, als Takaichi, die schon mit verharmlosenden Äußerungen zu Japans Kriegs- und Kolonialvergangenheit auch in China aufgefallen ist, Ende Oktober zur Premierministerin wurde. Ihr Statement im Parlament zum Szenario eines chinesischen Angriffs auf Taiwan wurde dann zum roten Tuch.

China reagiert gereizt auf japanische Aussagen

Aus Peking, wo man Taiwan als innenpolitische Sache sieht, folgt seither eine Kaskade der Vergeltung. Seine Bürgerinnen warnt Peking vor Reisen nach Japan, wo man am Tourismus aus China gutes Geld verdient. Angeblich seien chinesische Staatsbürger in Japan nicht mehr sicher – ohne Belege zu liefern. Meeresfrüchte aus Japan können nicht mehr nach China importiert werden. Chinas Generalkonsul in Osaka schrieb: »Schmutzige Köpfe, die sich einmischen, müssen abgeschnitten werden«, meinte damit wohl Takaichi.

Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Zwar betont Japans Chefkabinettssekretär Minoru Kihara, Kommunikation zwischen Japan und China sei gerade jetzt wichtig. Aber Takaichi hält an ihrem Statement vom 7. November fest, beteuert, sie habe ohnehin nur die Haltung bisheriger Regierungen Japans wiedergegeben. Die linksliberale Opposition in Japan sieht dies anders, kritisiert Takaichi für eine aus ihrer Sicht unnötige Provokation gegenüber China in einer Zeit, in der es Dialog brauche.

Takaichi nimmt Provokationen nicht zurück takai

Tatsächlich liegt Takaichi mit ihrer Behauptung, sie habe nichts Neues gesagt, eher daneben. Zwar hatte Shinzo Abe, Takaichis Amtsvorgänger und politischer Förderer, Ende 2021 eine ähnliche Äußerung getätigt. Aber zu jenem Zeitpunkt war er nicht mehr Japans Regierungschef. Dessen damals regierender Parteikollege Fumio Kishida reagierte seinerzeit defensiv auf Abes Äußerungen. Danach gab es ähnliche Betonungen nicht mehr – bis zu Takaichi, die wie Shinzo Abe eben als Nationalistin bekannt ist.

Dass sich Takaichi von ihren Äußerungen distanzieren wird, ist aber auch deshalb nicht zu erwarten, weil sie nicht nur in Taiwan auf Gegenliebe stößt, sondern auch in Japan. Im ostasiatischen Land hat das Ansehen Chinas in den letzten Jahren einen Tiefpunkt erreicht. Laut einer Ende November veröffentlichten Umfrage sieht die Hälfte der japanischen Bevölkerung in Takaichis Aussagen – trotz der verursachten ökonomischen Schäden – »kein Problem.«

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