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Weltausstellung Berlin: Zukunftsblase Expo
Die Weltausstellung 2035 soll laut einem Verein in Berlin stattfinden
Eine Weltausstellung in der Hauptstadt Berlin, vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller vehement gefordert, schließlich von den Regierenden verhindert. 1896 richten die Berliner Industriellen zum Trotz eigenständig die Berliner Gewerbeausstellung aus. Mehr als 100 Jahre später wiederholt sich die Geschichte, diesmal allerdings mit Kai Wegner anstelle des Kaisers Wilhelm II. in der Rolle des Regierenden. Die Industriellen gibt es immer noch. Sie organisieren sich heutzutage in Vereinen mit moderneren Namen wie Global Goals Berlin. Dario Dill, Geschäftsführer der Gruppe, die sich als zivilgesellschaftliche Initiative bezeichnet, stellt in einem Video die Frage: »Berlin kann Clubs, Currywurst und Chaos. Klar, aber was, wenn wir auch Klimaschutz, Gerechtigkeit und Zukunft können?«
Damit macht Dill das Anliegen von Global Goals Berlin deutlich: Die Expo 2035 soll nicht nur unbedingt in Berlin stattfinden, sondern steht für eine nachhaltige, soziale Transformation der Stadt. Dem Verein zufolge ist sie quasi der einzige und beste Weg dorthin. Daniel-Jan Girl, Unternehmer, ehemaliger Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) und »leidenschaftlicher Berliner«, sagt: »Wir wollen Zukunft wieder in die Realität zurückholen.« Am Dienstag spricht er als Vorstandsvorsitzender von Global Goals Berlin auf einer Pressekonferenz in den Räumen der IHK Berlin, die gemeinsam mit etwa der Berliner Sparkasse, den Berliner Wasserbetrieben und der Gates Foundation zu den Partnern des Vereins gehört. Girls Blick geht nach vorn, die Expo sei nicht nur »Zeichen«, sondern auch eine »Einladung« an die Zukunft.
Mitte Oktober endete die Weltausstellung im japanischen Osaka, die nächste in fünf Jahren geht nach Saudi-Arabien. Das Architekturbüro Graft hat sich für Global Goals mit dem potenziellen Standort Berlin auseinandergesetzt. Thomas Willemeit stellt die Pläne für das Hauptgelände vor, für das der ehemalige Flughafen Tegel, ein Gebiet nördlich des BER und der Clean Tech Park in Marzahn in Frage kommen. Hier könnten dann die großen, eigens angefertigten Länderpavillons stehen, während etwa im Hangar des Flughafens Tempelhof oder im ICC die bescheideneren Länder- und Themenpavillons untergebracht wären. Graft setzt dabei auf »Architektur, die aufgebaut und wieder abgebaut werden kann«, und auf »Standorte, die gar nicht so im Fokus stehen«, wie mobile Holzinseln im Wasser. Zusätzlich dazu plant Global Goals bereits ab Winter 2026 mit den sogenannten Kiezlaboren, Pavillons, die in Berlin verteilt lokale Projekte vorstellen und die Expo in der gesamten Stadt vertreten sollen.
»Wir wollen Zukunft wieder in die Realität zurückholen.«
Daniel-Jan Girl Global Goals Berlin
Fast alle Partner von Global Goals Berlin haben bereits internationale Großprojekte betreut, so kann sich auch die Wirtschaftsprüfgesellschaft PWC mit der Organisation vergangener Expos in Mailand und Dubai rühmen. Der ehemalige SPD-Politiker und PWC-Mitarbeiter Volker Halsch präsentiert am Dienstag die Finanzierung der möglichen Expo. »Wir rechnen mit einem Umsatz von 2,1 Milliarde Euro aus dem Ticketverkauf und das ist in etwa auch die Größenordnung, die wir ausgeben müssen«, so Halsch. Laut den Berechnungen von PWC ist es sogar ziemlich genau die Größenordnung, die Ausgaben sind mit 2,09 Milliarden Euro angesetzt. Nur die Infrastruktur, die im Falle des Flughafens Tegel etwa durch zusätzliche Tram- und U-Bahnverbindungen geschaffen werden müsste, ließe sich schwer vorab bestimmen.
Davor muss allerdings noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden. Der Vorsitzende des Expo-Vergabekomittees befindet sich während der Pressekonferenz auf dem Weg von Paris nach Berlin, wo ihm Global Goals den, wie die Gruppe hofft, einzigen europäischen Kandidaten für die übernächste Expo präsentieren werden. Da auch Asien nach drei Weltausstellungen seit 2020 aus dem Rennen sei, stünden die Chancen gut für Berlin. »Afrika, Australien und Amerika können wir sicher noch mit unserem Konzept der Offenheit und der Realität begeistern«, so Girl. Dass die Weltausstellung 2000 in Hannover stattfinden konnte, sei Girl zufolge der DDR zu verdanken, die neben der BRD damals ebenfalls bei der Abstimmung über den Ausstellungsort teilnehmen durfte. Girl ist zuversichtlich, dass es diese zusätzliche Stimme für Berlin nicht bräuchte. Allerdings dürfte die Werbekampagne »Ganz Berlin eine Weltausstellung« beim Berliner Senat wohl nicht viel auslösen.
Er setzt trotz der für die Expo prognostizierten Kostendeckung und einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von bundesweit 22 Milliarden Euro auf die Olympiabewerbung. Bei einer Pressekonferenz erklärte Innensenatorin Iris Spranger (SPD), es werde anders als zu Olympia keinen Senatsbeschluss zur Expo geben. Kai Wegner (CDU) sagte, dass, wer alles fordere, am Ende gar nichts bekomme. Bei Global Goals Berlin setzt man auf eine Weiternutzung des Ausstellungsgeländes und eine Umfunktionierung für eine spätere Olympiaaustragung.
Statt sportlicher Erfolge soll eine Weltausstellung international nicht nur die Zukunftsfähigkeit eines Landes zeigen, sondern auch dessen Wirtschaftskraft. »Ich würde gerne wieder Fußballweltmeister werden, ich würde gerne wieder Weltmarktführer werden«, erklärte der Ökonom Jochen Wermuth, der den Verein Global Goals Berlin berät.
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