Bestattung unterm Freundschaftsbaum

Beerdigungen in freier Natur immer beliebter

  • Andrea Seeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ostseeküste ist beliebt bei Berlinern, als Urlaubsziel und als Ort der Bestattung im Friedwald. »Ein Drittel aller Anfragen für unseren ›Ruheforst‹ auf der Insel Usedom kommt aus Berlin«, sagt Jost Arnold, Geschäftsführer von »RuheForst« mit Sitz im Siegerland. Seine Firma, im November 2004 gestartet, hat inzwischen 8000 Menschen in 27 Ruheforsten bestattet. Daneben gibt es die Firma »FriedWald« mit Sitz in Griesheim bei Darmstadt. In 20 Friedwäldern haben die Hessen 6500 Menschen zur letzten Ruhe gebettet. Tendenz: steigend.

Die Liberalisierung des Bestattungswesens führt zu neuen Formen. Die Erwartungen an eine Beerdigung wandeln sich, sollen individueller, persönlicher und selbstbestimmter werden. Und vor allem wollen Eltern ihren Kindern nicht zur Last fallen. Das ist immer wieder ein Argument, wenn man fragt, was Menschen in Friedwald oder Ruheforst treibt. Für eine Begehung des Friedwalds in Weilrod im Usinger Land treffen sich die Teilnehmer auf dem Parkplatz. Nach den Anmeldungen war die Führung ausgebucht. Förster Jens Thomsen streift mit der Gruppe durch den Wald, erklärt, dass die Bäume gesund sein müssen, damit sie die nächsten 99 Jahre überstehen. Der Fachmann unterteilt gerade Familien-, Freundschafts- und Gemeinschaftsbäume. An jedem Baum gibt es bis zu zehn Bestattungen.

Der Gemeinschaftsbaum, erklärt Thomsen, hat ein gelbes Band. »Da haben wir hier nur einen, eine Buche, die etwas weiter oben steht, direkt am Weg. Dort kann man einen oder mehrere Plätze erwerben.« Und dann gibt es noch den Prachtbaum, eine Eiche. Sie trage ein orangefarbenes Bändchen, sei ein bisschen dicker, prächtiger und koste deshalb auch mehr. »Die Bäume mit dem blauen Bändchen sind sogenannte Freundschafts-, Familien- oder Einzelbäume. Der Erwerber kauft diesen Baum und kann bestimmen, wie viele Personen hier bestattet werden. »Bis zu neun weitere Personen sind möglich«, so Thomsen. Das Grab sei etwa etwa 1,50 bis zwei Meter vom Baum entfernt. Die Urne aus einem abbaubaren Kunststoff muss laut Gesetzgeber 50 Zentimeter »übererdet« sein. »Im Weißblechdeckel ist der Name des Verstorbenen eingeprägt, auch Geburtstag, Sterbedatum und Datum der Einäscherung sowie eine Schlüsselnummer finden sich hier«, erklärt der Förster.

»Der Grabschmuck ist hier die Natur. Alles, was davon abweicht, wird von uns eingesammelt«, sagt er streng. Da kennt der Forstmann kein Pardon. Ein bisschen Zierde aber ist schon möglich. »Wer will, kann seinen Namen auch am Baum verewigen, er kann auch einen Bibelspruch wählen, ein Lebensmotto, ein Gedicht, das ist ihm freigestellt.« »Mir hat das sehr gut gefallen«, meint Helga Engisch aus Friedberg nach dem Waldspaziergang. Sie spiele schon längere Zeit mit dem Gedanken, im Friedwald ihre letzte Ruhe zu finden, denn ihre Kinder seien weit verstreut. Eine Trauerfeier schließe das nicht aus: »Ich bin evangelisch, wünsche mir auch eine schöne würdige Feier, aber liegen möchte ich hier.« Gisela Köhler ist auch ganz angetan, aber, schränkt sie ein: »Ich darf nicht mehr Auto fahren. Wenn mein Mann jetzt zuerst sterben würde, wie komme ich dann hierher? Ich möchte ihn ja besuchen. Ansonsten: Wenn das bei uns ganz nah in Frankfurt wäre oder ich käme mit öffentlichen Verkehrsmitteln hierher, wäre das ideal. So zweifeln wir noch, was wir machen werden«.

Viele der Teilnehmer hier im Wald sind Kirchenmitglieder. Eine Entscheidung für den Friedwald ist keine Entscheidung gegen die Kirche. Jost Arnold von »RuheForst« legt Wert darauf, dass er gemeinsame Sache macht mit den Kirchen, »als Christ liegt mir das am Herzen.« Deswegen freut er sich, dass zum Beispiel die Kirche Ostenfeld in Nordfriesland einen »Kirchenwald« eröffnen wird.

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