nd-aktuell.de / 12.12.2025 / Politik

Fridays for Future: »Nächstes Jahr wird der Gasausstieg erkämpft«

In Schleswig Holstein fand Anfang Dezember 2018 die erste Demonstration von Fridays for Future in Deutschland statt

Anton Benz
Ab Januar 2019 gingen deutschlandweit jeden Freitag Menschen fürs Klima auf die Straße, wie hier am 18. Januar in Bonn.
Ab Januar 2019 gingen deutschlandweit jeden Freitag Menschen fürs Klima auf die Straße, wie hier am 18. Januar in Bonn.

Es ist zwar kein rundes Jubiläum, aber dennoch ein Jubiläum: Vor fast genau sieben Jahren, dem 7. Dezember 2018 fand in der norddeutschen Kleinstadt Bad Segeberg der erste »Klimastreik« von Friday for Future (FFF)[1] in der Bundesrepublik statt, eine Woche später folgte die erste städteübergreifende Aktion. Ein alter Facebook-Post aus der Zeit ruft in sieben Städten zu »Bildungsstreiks fürs Klima« auf. Eine davon: Berlin.

Die Zeit, in der FFF im Wochentakt protestierte, ist längst passé. Dass sich an diesem Freitag wieder Demonstrierende unter anderem in der Hauptstadt versammeln, hat nicht vorwiegend mit dem eigenen, ungeraden Jubiläum zu tun. Die Umweltschützer*innen wollen vor allem an das Pariser Abkommen erinnern, auf das sich die Staatengemeinschaft vor genau zehn Jahren einigte – aber auch daran, wie weit die globale Klimapolitik[2] hinter dem Versprechen von Paris zurückliegt.

Das Pariser Klimaabkommen wird zehn

Es ist kein Zufall, dass der Jahrestag von FFF mit dem des Pariser Klimaabkommens[3] zusammenfällt. Die Einhaltung des Pariser Abkommens – also die Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs möglichst auf 1,5 Grad Celsius, auf jeden Fall aber auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter – ist seit jeher die Kernforderung der Aktivist*innen. »Wenn Paris das politische Versprechen an die Menschen war, dann war Fridays for Future und unsere Proteste, das Versprechen an die Menschen, dass wir die Zerstörung nicht einfach hinnehmen«, sagt Carla Reemtsma, FFF-Aktivistin der ersten Stunde.

Zwar geht es bei der 1,5-Grad-Grenze um die mittlere Temperatur über einen Zeitraum von 20 Jahren, doch bereits die Durchschnittstemperaturen der Jahre 2023 bis 2025 reißen diesen Wert. Während für einige Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen klar ist, dass das 1,5-Grad-Ziel gescheitert ist, hält Fridays for Future weiter daran fest.

Das Argument: Selbst wenn die Marke zwischenzeitlich überschritten wird, lässt sich mit konsequentem Klimaschutz und CO₂-Abscheidung der Überschuss zurückdrängen. »Wir müssen alles dafür tun, ihn auf die kürzeste Dauer und die kleinste Gradzahl zu begrenzen, um mehr Katastrophen zu verhindern«, sagt Reemtsma. Sie verweist auf das wegweisende Gutachten des internationalen Gerichtshofs in Den Haag, demzufolge Staaten nach völkerrechtlich dazu verpflichtet sind, erhebliche Schäden am Klimasystem zu verhindern. Erstritten wurde das Urteil von 27 Jura-Studierenden der Universität des Südpazifik.

Was der Protest bewirkt hat

Auch die Aktivist*innen von FFF haben in den vergangenen sieben Jahren einiges bewegt. Wie groß ihr Einfluss auf Politik und Gesellschaft tatsächlich war, mit dieser Frage beschäftigt sich die Wissenschaft noch heute. Eine Studie von Ende 2024 führt etwa ein Teil des Stimmenzuwachses bei den Grünen 2019 und die vermehrte Berichterstattung über die Erderwärmung auf die Proteste zurück. Anfang dieses Jahres haben Forschende herausgearbeitet, dass erst der Druck von Fridays for Future den Klimaschutz in vielen Kommunen ins Rollen gebracht hat. Auch an der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde 2021 gegen das unzureichende Klimaschutzgesetz des Bundes war FFF beteiligt.

Trotz all dem werden die globalen Treibhausgasemissionen zum Jahresende erneut ein neues Rekordhoch erreicht haben, die drohende Klimakatastrophe in Politik und Medien weiterhin nur eine Nebenrolle spielen – und statt Millionen gehen nur noch wenige Tausend Menschen auf die Straße, wenn Freitags zu einer Klimademo getrommelt wird.

Ist die Klimabewegung gescheitert?

Ist es Zeit, sich einzugestehen, dass der Kampf gegen die Klimakrise und somit die Klimabewegung gescheitert ist? Von dieser Sichtweise hält Reemtsma wenig. Sie bezeichnet die Vorstellung, man könne die Klimakrise nicht mehr aufhalten und müsse sich folglich auf die Anpassung daran konzentrieren als »vorauseilenden Gehorsam« gegenüber der Fossillobby. »Das ist genau die falsche Richtung, diesen Erzählungen nachzugeben«.

Gestartet sind die Aktivist*innen mit der Hoffnung, man müsse nur ausreichend über die Klimakrise informieren, dann würden sich die Regierungen schon bewegen. Heute sagt Luisa Neubauer, »dass die Bundesregierung nicht vorhat, Klimaziele einzuhalten«.

Zu wissen, dass der Stillstand nicht einem Mangel an Lösungen geschuldet ist, sondern Absicht ist – ist das nicht erst recht ein Grund für Hoffnungslosigkeit? Das Gegenteil ist der Fall, meint Luisa Neubauer. Sie spricht von einem »Befreiungsschlag«, denn jetzt würden die Aktivist*innen wissen: »Wir werden für Klimaschutz und Klimaziele nicht mit, sondern trotz der Bundesregierung und im Zweifel auch gegen die Bundesregierung kämpfen.« Für Neubauer ist eine »neue Ära der Kopflosigkeit« angebrochen, »man könnte auch sagen, fossiles Durchdrehen«.

Die Zukunft von Fridays for Future

Wie FFF damit umgehen will, skizzierte Reemtsma unlängst in einem Meinungsbeitrag für die »Taz«: »Wenn die Klimabewegung heute Erolg haben will«, schreibt sie, müsse sie bei den »Schnittmengen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen« ansetzen. Es sei essenziell, die Klimakrise nicht nur als physikalisches Ereignis zu begreifen, sondern die Frage nach sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Verbesserung in den Mittelpunkt zu stellen. »Dann können Aktivist*innen genauso wie CDU-Mitglieder, Landwirt*innen und Grüne wieder gemeinsam für 1,5 Grad Celsius auf der Straße stehen.«

Dass sich Fridays for Future aktuell ausgerechnet bei CDU-Mitgliedern beliebt macht, scheint aber fraglich. Schließlich arbeiten sich die Klimaschützer*innen vor allem an Politiker*innen aus den Reihen der Union ab. »Wir beobachten, dass diese Bundesregierung gerade an allen Ecken und Enden in fossile Zerstörung investiert«, sagt Aktivistin Nele Evers. »Und vor allem Wirtschaftsministerin Katharina Reiche hat es auf Erdgas abgesehen.«

Im nächsten Jahr möchte sich FFF schwerpunktmäßig gegen die neuen Gasbohrprojekte in Deutschland einsetzen, sei es vor der Nordseeinsel Borkum oder im oberbayerischen Reichling. »Nächstes Jahr wird der Gasausstieg erkämpft«, sagt Luisa Neubauer. Der Auftakt dafür soll schon kommende Woche stattfinden. Wenn am Freitag der Bundesrat über die Bohrungen vor Borkum abstimmt, will FFF in mehreren Landeshauptstädten auf die Straßen ziehen. Zumindest kurzzeitig heißt es also wieder: Proteste im Wochentakt. So fing es an, vor fast genau sieben Jahren.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194203.fridays-for-future-klimaschutz-ist-out.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195659.cop-klimakonferenz-der-nicht-beschluesse.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1196166.klimaschutz-pariser-abkommen-gebrochenes-versprechen-an-die-menschheit.html