Schutz finden, wenn das eigene Zuhause zur Bedrohung geworden ist: Diese Möglichkeit bieten Frauenhäuser und Beratungsstellen für Opfer von häuslicher Gewalt. Gerade wenn das Leben sich wie in der Weihnachtszeit hauptsächlich im eigenen Haushalt abspielt, wird die Zahl der Fälle größer. Der Fakt, dass statistisch gesehen jede dritte erwachsene Frau[1] in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfährt, bedeutet nicht nur, dass jeder Mensch eine Betroffene kennt, sondern auch jede*r einen Mann, der Gewalt ausübt.
Trotzdem droht den Schutzstrukturen, die auch für queere Menschen wichtige Arbeit leisten, regelmäßig das Aus. Zwei wichtigen Brandenburger Koordinierungsstellen ist nach langer Unsicherheit die Finanzierung Anfang Dezember zunächst nur für 2026 bewilligt worden. Das sind das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser (NBF) und die Kontaktstelle der zivilgesellschaftlichen Akteure zur Umsetzung der Istanbul-Konvention[2] (Kiko). Dabei hat der Landtag bereits mit dem Haushaltsplan 2025/26 eine Förderzusage für beide gegeben. Und auch für 2027 und 2028 könnte eine Bewilligung vorgenommen werden.
Der Schutz für von Gewalt betroffene Frauen ist auch in Brandenburg ohne Zweifel notwendig[3]. Die Kriminalstatistik des Landes[4] zählt 2024 rund 5000 Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt waren – darunter zwölf Getötete. Ohne die Dunkelziffer einzubeziehen, machen Frauen 70 Prozent der Opfergruppe häuslicher Gewalt aus. Insgesamt sind in den vergangenen fünf Jahren die polizeilich erfassten Zahlen um fast 14 Prozent gestiegen. Das arbeitete der Frauenpolitische Rat Brandenburg gemeinsam mit dem NBF und dem Autonomen Frauenzentrum Potsdam heraus, ebenso wie den Fakt, dass bundesweit 14 000 Frauenhäuser fehlten.
Dass die Förderung für NBF und Kika nur für ein Jahr bewilligt wurde, stößt auf Kritik. Brandenburgs Sozialministerin Britta Müller[5] (BSW) vernachlässige ihre Rolle als »Frauen- und Gleichstellungsministerin«, kritisiert der Frauenpolitische Rat. Eine überjährige, also über mehrere Haushaltsjahre hinweg reichende Förderung von Kiko und NBF ist vom Landtag für den aktuellen Haushalt beschlossen. Eigentlich müsste die Finanzierung bis 2028 somit feststehen, ist sie doch vom Gesetzgeber festgelegt. Nach fehlender Kommunikation ging der Zuwendungsbescheid für 2026 erst vergangene Woche bei den beiden Koordinierungsstellen ein, für die Folgejahre fehlt er. Das NBF schreibt dazu: »Die Ministerin versucht hier im Alleingang die Entscheidung des Gesetzgebers zu unterlaufen, und das ohne Angabe von Gründen.«
Über die Relevanz der jetzt geförderten Projekte besteht dabei kein Dissens. »Diese leisten wertvolle Arbeit in Frauenpolitik und Gewaltprävention – insbesondere in Form von Netzwerkarbeit und Öffentlichkeitsarbeit«, erklärt das Brandenburger Sozialministerium auf nd-Anfrage. Die Förderung der Frauenhäuser habe zu keiner Zeit in Frage gestanden. Das NBF setzt sich seit 1995 als Landesdachverband aller 23 Frauenhäuser und -notwohnungen sowie Beratungsstellen in Brandenburg für den Schutz von Frauen und deren Kindern vor Gewalt ein. »Wir sind im Frauenhaus permanent überlastet«, heißt es in einer Pressemitteilung aus dem Frauenhaus Neuruppin. »Wenn wir uns selbst um all die Dinge kümmern müssten, die Koordinierungsstellen und Kiko übernehmen – Kommunikation mit Verwaltung und Politik, Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildungen und so weiter und so fort – wäre das alles Zeit, die bei der Aufnahme und Betreuung von gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern fehlt.«
Für die beratende und schutzbietende Arbeit im Kleinen sind diese beiden Koordinierungsstellen unabdingbar. Dennoch müssten sich Gleichstellungs-, Schutz- und Präventionsstrukturen rechtfertigen sowie um ihre finanzielle Sicherung bangen und kämpfen – anstatt politisch abgesichert ihrer wichtigen Arbeit nachgehen zu können, wie der Frauenpolitische Rat in einer Pressemitteilung kritisiert. »Dieser Zustand ist unerträglich. Er ist allzu oft tödlich«, heißt es dort weiter.
Das zuständige Ministerium verweist darauf, dass die Förderung der beiden Träger seit 2024 gestiegen sei. »Zum Vergleich: Familienverbände erhalten weiterhin nur eine einjährige Förderung, und ihre Fördersummen wurden seit 2024 nicht erhöht«, so ein Sprecher des Ministeriums. Alle Träger im freiwilligen Bereich – Frauenverbände ebenso wie Familienverbände und andere Vereine – würden mit der gleichen Unsicherheit leben, weil Doppelhaushalte keine langjährige Planungssicherheit geben würden. »Wenn wir einzelnen Trägern mehrjährige Verpflichtungsermächtigungen gewähren, ohne dies für alle tun zu können, geraten wir in eine Schieflage«, so der Sprecher weiter. Sozialministerin Britta Müller (BSW) wolle eine gleichbehandelnde Förderpolitik. Deshalb könne sie keine Sonderwege für einzelne Bereiche gehen.
Dass soziale Projekte, die essenzielle gesellschaftliche Arbeit leisten, von Regierenden als vermeintlicher Luxus keine dauerhafte Finanzierung bekommen[6], ist keine Neuigkeit. In diesem Fall bestehen allerdings keine haushaltsrechtlichen Bedenken, so der Frauenpolitische Rat Brandenburg. »Alle Voraussetzungen sind gegeben – jedoch der Wille fehlt!« Müller habe mit der finanziellen Unsicherheit für Kiko und NBF eine »Gleichstellung« im Sinne. Gleich schlecht soll es ihnen dabei wie den Familienverbänden gehen.
Dabei wurden auch die Familienverbände zwischen 2021 und 2024 überjährig gefördert, erst seit 2025 ist dies nicht mehr der Fall. Der Frauenpolitische Rat berichtet davon, dass der Verband für alleinerziehende Mütter und Väter in Brandenburg deswegen seine Tätigkeit zum Jahresende einstellen muss.
»Wir arbeiten eng zusammen, tauschen Bedarfe aus und lassen uns nicht gegeneinander ausspielen«, schreibt der Frauenpolitische Rat zu der ministeriellen Begründung der finanziellen Unsicherheiten. Frauen- und Familienverbände bräuchten gleiche – und zwar gleich gute – Bedingungen. Nach dem Motto: »Gleichbehandlung darf nicht zur Gleichschlechtbehandlung werden.«
Genau diese Strukturen werden in Brandenburg jetzt systematisch geschwächt. Politische Bekenntnisse gegen geschlechtsspezifische Gewalt entfalteten ohne die Sicherung von Gleichstellung, Schutz und Prävention keine Wirkung, wie Frauenpolitischer Rat und NBF schreiben. Noch immer gäbe es stattdessen Polizist*innen, die häuslicher Gewalt nur ermahnend begegnen. Noch immer erhielten das Umgangs- und Sorgerecht Väter, die zwar die Mütter, nicht aber die Kinder geschlagen hätten. Und »noch immer tun Politiker*innen so, als sei der gefährlichste Ort für eine Frau die Fußgängerzone[7] der Innenstadt und nicht das eigene Zuhause«, so NBF und Frauenpolitischer Rat.