Am kommenden Montag ist der große Tag für Lüdenscheid. Nach vier Jahren muss die Stadt nicht mehr unter Ausweichverkehr leiden. Am 2. Dezember 2021 war die Rahmedetalbrücke der Autobahn 45 [1]komplett gesperrt worden, sie drohte einzustürzen. Die Brückensperrung war eine Katastrophe[2] für die ganze Region. Die Sauerlandlinie genannte A 45 gehört zu den wichtigsten Nord-Süd-Strecken in Westdeutschland. Sie verbindet das Ruhrgebiet mit dem Großraum Rhein-Main. Für die Wirtschaft im Sauerland und Siegerland ist sie von essenzieller Bedeutung. Es gibt in der Region viele kleine und mittelständische Unternehmen, die hoch spezialisiert und auf ihrem Gebiet Marktführer sind. Dafür brauchen sie allerdings funktionierende Lieferketten und Personal, etwa aus dem Ruhrgebiet.
Die Freudenstimmung im Sauerland ist also ziemlich groß, seitdem das Bundesverkehrsministerium vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass die Rahmedetalbrücke am 22. Dezember wieder für den Verkehr freigegeben wird. Erst mal geht es zwar nur auf zwei Spuren in jede Fahrtrichtung und im kommenden Frühjahr muss die Brücke auch noch einmal komplett gesperrt werden. Aber grundsätzlich ist die Lücke geschlossen.
Von einem historischen Tag für seine Stadt und die gesamte Region spricht Lüdenscheids Bürgermeister Sebastian Wagemeyer (SPD) mit Blick auf den 22. Dezember: »Dass es so kurz vor Weihnachten klappt, ist das schönste Geschenk, das man uns hätte machen können. Damit gehen vier wahnsinnig anstrengende, intensive und auch frustrierende Jahre zu Ende.« Damit könnten Lüdenscheid und Südwestfalen »endlich wieder aufatmen und nach vorne schauen« – auch in dem Wissen, dass komplexe und langwierige Infrastrukturprojekte in Deutschland »eben doch schnell und nur mit dem nötigsten bürokratischen Aufwand« erledigt werden könnten.
Der Bürgermeister aus dem Sauerland ist nicht der einzige, der in Feierstimmung ist. Zur Brückeneröffnung haben sich auch der Bundeskanzler und der Bundesverkehrsminister angekündigt. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) will teilnehmen.
Wüst war, bevor er im Oktober 2021 Ministerpräsident wurde, Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen und als solcher auch für die Rahmedetalbrücke verantwortlich. Ob Wüst Fehler gemacht hat, ist folglich eines der zentralen Themen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss[3] »Brückendesaster und Infrastrukturstau« im Düsseldorfer Landtag. Dieser tagte an diesem Montag mit zwei prominenten Zeugen. Andreas Scheuer (CSU) und Volker Wissing (FDP) sagten aus. Die Brückensperrung fiel in Scheuers letzte Tage als Bundesverkehrsminister. Er konnte sich nicht daran erinnern, mit der Brücke im Sauerland befasst gewesen zu sein. Sein Nachfolger Volker Wissing erklärte: »Es ist nicht die Rolle eines Bundesministers, Fehler seiner Vorgänger oder Fehler in der Vergangenheit aufzuarbeiten.« Die Aussagen der beiden prominenten Zeugen waren also wenig hilfreich für die Landespolitiker.
Anders sieht es mit der Aussage von Oliver Luksic aus. Der FDP-Politiker aus dem Saarland war unter Volker Wissing parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und Aufsichtsratschef der Autobahn GmbH. Die 2018 gegründete GmbH übernahm 2021 die Zuständigkeit für die Autobahnen. Das habe dazu geführt, dass in allen Bundesländern »alle Anstrengungen bei den Brücken massiv nach unten gefahren« worden seien, sagt Luksic. Komplexe Bauwerke seien nicht mehr angefasst worden. Das sei »Konsens« unter den Ländern gewesen.
»Sollte sich diese Aussage bestätigen, wäre das ein Skandal ohnegleichen«, erklärt Gordan Dudas, der für die SPD im Untersuchungsausschuss sitzt. Dudas verweist auf einen eigentlich für 2019 geplanten Neubau der Brücke, der unter Wüst verschoben wurde. Der Ministerpräsident müsse sich »die Frage gefallen lassen, warum bekannte Probleme nicht konsequent angegangen wurden«. Die Menschen hätten ein Recht darauf zu erfahren, »ob finanzielle Erwägungen über die Sicherheit und Funktionsfähigkeit unserer Infrastruktur gestellt wurden«. Zeit, das aufzuklären, hat der Untersuchungsausschuss genug. Es sind schon für das ganze Jahr 2026 Sitzungen terminiert.
Apropos Termine: Die Eröffnung der Rahmedetalbrücke ist zweimal nach vorne verschoben worden. Ursprünglich war vom Sommer 2026 die Rede. Im Oktober sprach Verkehrsminister Patrick Schnieder (CSU) dann von einer Eröffnung im Februar 2026.