nd-aktuell.de / 17.12.2025 / Wirtschaft und Umwelt

In Wien »sorgen wir gemeinsam«

Protest gegen den Sparkurs in der österreichischen Kommunalversorgung breitet sich aus

Christian Bunke
Das Bündnis »Wir sorgen gemeinsam« bei einer Protestaktion
Das Bündnis »Wir sorgen gemeinsam« bei einer Protestaktion

Am Dienstag verhandelte der Wiener Gemeinderat in einer Sondersitzung die Verabschiedung des Sparbudgets für das Jahr 2026[1]. Verantwortlich für das Stopfen eines Budgetlochs in Höhe von zwei Milliarden Euro zeichnet eine Koalition aus der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos. Kaum ein Bereich der kommunalen Versorgung bleibt davon verschont. Während im Rathaus debattiert wurde, gab es über den Tag verteilt immer wieder Proteste in der Nähe. Am Abend zogen einige tausend Demonstrant*innen durch die Stadt. Aufgerufen hatte das linke Bündnis »Solidarischer Widerstand gegen Sozialabbau«.

Laut Angaben der Gewerkschaft GPA-djp soll es außerdem an 350 Standorten in ganz Österreich Warnstreiks der Sozialwirtschaft gegeben haben. Hintergrund sind die stockenden Kollektivvertragsverhandlungen. Auf einer der Streikkundgebungen neben dem Rathaus am Vormittag erklärten Redner*innen, dass die Arbeitgeberseite versuche, die Kosten der geplanten Einsparungen auf die Belegschaften abzuwälzen. Es werde offen mit Kündigungen im Fall einer deutlichen Lohnerhöhung gedroht.

Tatsächlich steht in Wien für das Jahr 2026 die Schließung zahlreicher Sozial- und Kultureinrichtungen im Raum. Auch der Pflegebereich wird nicht verschont. Darauf machte am Dienstag eine Protestaktion von Beschäftigten und Betriebsrät*innen der Wiener privaten Ordensspitäler aufmerksam. Neben den städtischen Krankenhäusern stellen die Privatspitäler eine wichtige Säule des Gesundheitssystems dar.

75 Millionen Euro will die Stadt hier laut Informationen der Gewerkschaft Vida einsparen. Die Arbeitgeber hätten darauf mit der Streichung von 1800 Stellen gedroht, so Gewerkschaftssprecherin Cornelia Groiss zu »nd«. Auch beim Anton-Proksch-Institut, der größten Suchtbehandlungseinrichtung Europas, solle jede fünfte Stelle abgebaut werden.

Dies wollen die Beschäftigten nicht kampflos hinnehmen. Gemeinsam mit linken Aktivist*innen und Vida haben sie das Bündnis »Wir sorgen gemeinsam« gegründet. Auf dessen Initiative hin haben 3841 Beschäftigte der Wiener Ordensspitäler sowie beinahe 2000 solidarische Menschen aus der breiteren Öffentlichkeit eine Petition unterschrieben, in der sie ein Ende der Sparpolitik und eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Spitälern forderten.

»Wir haben nicht vergessen, wie wir zu Beginn der Pandemie alle beklatscht wurden«, so ein Betriebsrat während der Kundgebung am Vormittag vor dem Rathaus. »Durch die Kürzungen drohen die Schließung ganzer Abteilungen und somit eine drastische Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in der Stadt Wien.« Falls es zu keinen Entlastungen und einer Rücknahme der Kündigungsdrohungen komme, werde man in den Spitälern Schritte in Richtung Kampfmaßnahmen einleiten, heißt es in einem Begleittext zur Petition, den die Demonstrant*innen vor dem Rathaus präsentierten.

Einige Delegierte trafen sich kurz darauf zu einem Gespräch mit Sozialstadtrat Peter Hacker. Gegenüber »nd« zog Phili Kaufmann, Sprecherin von »Wir sorgen gemeinsam«, ein vorsichtig positives erstes Fazit daraus. Hacker habe den Delegierten 45 Minuten zugehört und versprochen, ihr Anliegen zu einem Treffen mit den Betreibern der privaten Ordensspitäler mitzunehmen. Das Ultimatum bleibe jedoch aufrecht.

Tatsächlich scheint der Druck der vergangenen Wochen auf die Stadt Wien zu wirken. Dafür spricht, dass hinter den Kulissen hektisch an Abschwächungen mancher Sparmaßnahmen gearbeitet wurde. Dennoch stehen in ganz Österreich die Zeichen auf Austeritätskurs. So berichtete der öffentlich-rechtliche Rundfunk ORF erst am Mittwoch über ein weiteres 21 Millionen Euro starkes Finanzloch in der Industriestadt Linz, dem die dortige Stadtregierung mit Einsparungen begegnen müsse.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195542.sozialabbau-wien-kuendigt-drogenstrategie-auf.html