nd-aktuell.de / 17.12.2025 / Berlin

Brandenburgs Landtag philosophiert über Krieg und Frieden

In Brandenburg gieren die regierende SPD und die oppositionelle CDU nach der Ansiedlung von Rüstungsfirmen

Andreas Fritsche
Das Abschussgerät des neuen Raketenabwehrsystems »Arrow 3« in der Annaburger Heide bei Holzdorf
Das Abschussgerät des neuen Raketenabwehrsystems »Arrow 3« in der Annaburger Heide bei Holzdorf

Als Brandenburgs BSW-Fraktion im Oktober zur Eröffnung einer Kunstausstellung im Landtag den russischen Botschafter Sergej Netschajew[1] einlud, sorgte das für erheblichen Wirbel. CDU-Fraktionschef Jan Redmann kritisierte die von Netschajew angenommene Einladung damals scharf.

Am Mittwoch äußert sich Redmann nun ironisch dazu. Es komme nicht darauf an, ob das BSW im Landtag oder auf Parteitagen »dicke Backen macht«. Solange das keine praktischen Auswirkungen auf die Politik habe und Brandenburg ein verlässlicher Partner der Bundeswehr bei der Aufrüstung bleibe, könne das BSW den russischen Botschafter seinetwegen jede Woche einladen, erklärt Redmann.»

Was die oppositionelle CDU über das BSW denkt und sagt, ist eine Mischung aus Vorwurf und Lob. Demnach tut die Partei von Sahra Wagenknecht angeblich nur so, als ob sie der Aufrüstung der Bundeswehr etwas entgegensetzen könne und wolle. Das deckt sich mit der Einschätzung des Bundestagsabgeordneten Christian Görke (Linke), nur dass es bei ihm ausschließlich ein Vorwurf ist. Er kritisierte bereits am 1. Dezember – zwei Tage vor der Inbetriebnahme des Raketenabwehrssystems »Arrow 3« am Fliegerhorst[2] Holzdorf –, dass die von SPD und BSW gebildete Landesregierung 100 Millionen Euro, die ursprünglich für den Strukturwandel im Lausitzer Braunkohlerevier bestimmt waren, für die Aufrüstung in Holzdorf zweckentfremde[3]. Das sei »die Spitze der politischen Unverfrorenheit«, meinte Görke. »So sieht Friedenspolitik à la BSW aus.«

Zunächst fließen 35 Millionen Euro für Kitas und Schulen für die Kinder der Soldaten und Zivilbeschäftigten sowie für Straßen. Es sollen noch weitere 65 Millionen Euro in das Umfeld des Bundeswehrstandorts an der Grenze zu Sachsen-Anhalt investiert werden.

»Keinen einzigen Cent möchte ich in Waffen stecken müssen«, beteuert SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann am Mittwoch im Landtag. Die CDU war dran, das Thema der Aktuellen Stunde zu bestimmen. Sie wählte: »Brandenburg stärkt Deutschlands Verteidigung – und die eigene wirtschaftliche Zukunft.« Wenn drei Viertel der Bevölkerung sich in Meinungsumfragen für eine stärkere Bundeswehr aussprechen, dann nicht, weil sie kriegslüstern seien, versichert SPD-Politiker Lüttmann. Viel lieber würden sie das Geld für Gesundheit und Soziales ausgegeben sehen, weiß er aus Gesprächen. Doch der Egoismus der Menschheit stehe dem ewigen Frieden entgegen. Schon allein der Angriff Russlands auf die Ukraine gebe Anlass, die Bundeswehr aufzurüsten, denkt Lüttmann. Dass die USA als Schutzmacht der Bundesrepublik auszufallen drohten, komme noch dazu.

»Wer heute glaubt, Frieden entstehe schon allein dadurch, dass man über ihn spricht, ihn ständig einfordert, der irrt gewaltig«, sagt CDU-Fraktionschef Redmann. »Frieden entsteht und wird bewahrt, wenn man dazu bereit und fähig ist, ihn zu verteidigen.« Redmann behauptet: »Russland bereitet sich auf einen Angriff auf Europa vor.« Das heiße nicht, dass die Entscheidung zum Angriff in Moskau bereits gefallen sei, schränkt er ein. Doch Russland rüste auf und verlege Truppen, um eine solche Entscheidung treffen zu können. Das will Redmann im Nato-Hauptquartier in Brüssel erfahren haben.

Das Bundesland sollte sich aktiv um die Ansiedlung von Rüstungsfirmen bewerben, um ein großes Stück von diesem Kuchen abzubekommen, findet Redmann. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte sich Anfang Dezember ähnlich geäußert[4].

Die CDU sollte mehr an das C in ihrem Namen denken, das für christlich stehe, als an Spenden aus der Rüstungsindustrie, empfiehlt der Abgeordnete Stefan Roth (BSW). Dem Kurs der Regierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) und auch einiger Politiker in Brandenburg, Industriearbeitsplätze abzubauen und im Gegenzug die Kriegswirtschaft hochzufahren, werde das BSW entschieden entgegentreten.

Beim Verteidigungsgipfel der Nato-Staaten am 24. und 25. Juni 2025 im niederländischen Den Haag ist beschlossen worden, die Ausgaben für die Armeen auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der einzelnen Länder zu erhöhen – plus weitere 1,5 Prozent für verteidigungs- und sicherheitsrelevante Industrie und Infrastruktur zu investieren. Zusammen sind das fünf Prozent – und die AfD habe diese Dimension zuerst offen gefordert, sagt der BSW-Abgeordnete Roth. »Wo sonst die Brandmauer nicht hoch genug sein kann, erleben wir bei der Aufrüstung eine ganz große Koalition von den Grünen bis zur AfD – und durch ihre Zustimmung zu Kriegskrediten im Bundesrat sogar von der Linken bis zur AfD.«

Gemeint ist das Ja von Mecklenburg-Vorpommern zum schuldenfinanzierten Finanzpaket der Bundesregierung, das die Aufrüstung der Bundeswehr beinhaltet. In Mecklenburg-Vorpommern regieren SPD und Linke. Die Linke hätte eine Enthaltung des Bundeslandes am 21. März im Bundesrat durchsetzen können und müssen. Ähnlich in Bremen, das im Bundesrat ebenfalls mit Ja stimmte, obwohl es in Bremen einen rot-grün-roten Senat gibt. Thüringen und Brandenburg, wo das BSW mitregiert, hatten sich am 21. März enthalten.

»Der Angriff Russlands auf die Ukraine war selbstverständlich völkerrechtswidrig«, gibt der BSW-Abgeordnete Stefan Roth zu. Die Attacke habe aber eine Vorgeschichte. Dies nicht zu sehen und so zu tun, als gebe es nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß, das sei absurd. Man hätte Russlands Sicherheitsinteressen viel eher anerkennen und nach einer Lösung suchen müssen, statt den Konflikt zur Freude auch deutscher Rüstungskonzerne anzuheizen und durch Waffenlieferungen viele Tote billigend in Kauf zu nehmen. Das BSW wolle keine Interventionsarmee, die in Nato-Kriegen die Jugend verheizt, und keine Aggressionen gegen die Atommacht Russland, weil das zu einer nukleare Katastrophe führen würde.

»Wir brauchen eine starke Bundeswehr«, bestätigt der AfD-Abgeordnete Daniel Freiherr von Lützow, der als Stabsunteroffizier diente und im Kosovo im Auslandseinsatz war. »Der Amerikaner ist nicht unser Feind, der Russe ist nicht unser Feind.« Feinde Deutschlands seien SPD und Linke, die nach Überzeugung des AfD-Politikers die Jugend wehruntüchtig gemacht haben.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191113.tag-des-sieges-polizei-verbietet-halstuch-der-naziopfer.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187648.asylpolitik-ressort-fuer-ruestung-und-kriegsopfer.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186501.koalitionsverhandlungen-bsw-in-brandenburg-oeffnet-hintertuer-zur-aufruestung.html?
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195873.raketenabwehr-fliegerhorst-holzdorf-sicherstes-angriffsziel-deutschlands.html?