Statt wie in der Vergangenheit einen Atommüll-Standort von oben durchzudrücken[1], wollen die zuständigen Behörden künftig die Bürger einbeziehen. Ein erster Testlauf dafür soll die Verlängerung der Zulassung der Zwischenlagerung von hoch radioaktiven Abfällen[2] in Gorleben sein. Umweltschützer kritisieren die Initiative indes als »Beteiligungssimulation«.
Laut Standortauswahlgesetz soll der Standort für ein Atommüll-Endlager zwar bis 2031 feststehen, doch tatsächlich wird sich die Suche noch Jahrzehnte hinziehen. Das hat Konsequenzen für die Zwischenlagerung des Materials. Es muss viel länger als geplant in den bundesweit 16 oberirdischen Hallen verwahrt werden. Diese befinden sich an den Standorten der abgeschalteten Atomkraftwerke sowie in Gorleben (Niedersachsen), Ahaus[3] (Nordrhein-Westfalen) und in Lubmin[4] (Mecklenburg-Vorpommern). Lubmin war auch ein AKW-Standort. Die dortige Anlage mit vier Reaktorblöcken wurde aber nicht im Zuge des Atomausstiegs, sondern schon mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik 1990 abgeschaltet.
Die Zwischenlager wurden allerdings nur für einen Zeitraum von bis zu 40 Jahren genehmigt. Zuerst läuft 2034 die Betriebserlaubnis für das in Gorleben aus. Dort stehen 113 Castorbehälter mit hoch radioaktiven Abfällen.
Der Betreiber, die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), hat jetzt das Genehmigungsverfahren für eine verlängerte Zwischenlagerung in Gorleben eingeläutet und will dabei auch die Öffentlichkeit beteiligen. Bürger, die ihren Wohnsitz im Landkreis Lüchow-Dannenberg haben, könnten sich ab sofort für die Teilnahme in einer sogenannten Dialoggruppe bewerben, teilte die BGZ mit. Sie erhielten eine fachliche Einordnung und könnten dann den weiteren Dialogprozess aktiv mitgestalten.
Die Gruppe werde sich viermal bis Ende 2026 treffen. Sie soll aus 25 Personen bestehen, darunter Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie von Vereinen und Gruppierungen in der Region. Weitere acht Personen sollen ausgelost werden. In dem Gremium kämen »idealerweise unterschiedliche Perspektiven zusammen«, heißt es seitens der BGZ. Ein erstes Treffen ist für den 19. Februar angekündigt.
Neben den Treffen der Dialoggruppe plant die BGZ öffentliche Veranstaltungen für alle Interessierten aus der Region, bei denen Informationen zur verlängerten Zwischenlagerung im Fokus stehen sollen.
Diese Einladung zum Dialog hat die örtliche Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg auf den Plan gerufen. Bevor sich die Dialoggruppe viermal bis Ende 2026 getroffen habe, werde die BGZ den Genehmigungsantrag für die verlängerte Zwischenlagerung längst gestellt haben, ist sich die BI sicher.
»Gegen einen regionalen Dialog zu den Problemen der Zwischenlagerung für die nächsten 100 Jahre spricht natürlich nichts«, sagt BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Allerdings halte die BGZ neben dem fragwürdigen Timing auch an der Überschrift »Beteiligung« fest. Das aber sei irreführend. In Wahrheit gebe es keinerlei Mitwirkungs- und Mitspracherechte für die interessierte Öffentlichkeit. »Ein neues Zwischenlagerkonzept muss mit tatsächlichen Mitentscheidungsbefugnissen der Zivilgesellschaft erarbeitet werden«, fordert Ehmke. Der springende Punkt dabei sei die finanzielle Ausstattung für Gutachten und für juristischen Beistand einer solchen Begleitgruppe.
Die BI will deshalb keine »Bewerbung« an die BGZ auf den Weg bringen. »Sollten unsere fachlichen Anregungen und Fragen von Interesse für die Dialoggruppe oder die geplanten Veranstaltungen sein, werden wir uns einer Einladung aber nicht verschließen«, so Ehmke.
In dem neuen Genehmigungsverfahren in Gorleben dürfte es vor allem um Sicherheitsaspekte gehen. Das Zwischenlager wurde nach einem älteren Konzept gebaut, von möglichen Drohnenangriffen und -abstürzen etwa war damals noch keine Rede. Die Außenwände der Lagerhalle sind denn auch nur etwa 50 Zentimeter dick, ihre Betondecke hat eine Stärke von lediglich 20 Zentimetern. Neuere Zwischenlager wie das in Lubmin weisen dagegen Wand- und Deckenstärken von über einem Meter auf.