nd-aktuell.de / 22.12.2025 / Berlin

Schönleinstraße: Vorkauf scheitert wieder

Zwölf Mietparteien wollten sogar freiwillig ihre Miete erhöhen – vergeblich

David Rojas Kienzle
Alle Jahre wieder: Der Vorkauf der Schönleinstraße scheitert zum zweiten Mal.
Alle Jahre wieder: Der Vorkauf der Schönleinstraße scheitert zum zweiten Mal.

»Die Ernüchterung ist groß«, sagt Felix T. zu »nd«. Er ist Mieter in der Schönleinstraße 19. T. und die anderen Mieter*innen im Haus hatten gehofft, dass ihr Haus an eine Genossenschaft verkauft wird. Möglich wäre das gewesen, hätte der bezirkliche Vorkauf geklappt. Aber wie das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mitteilt, ist das nicht der Fall. Dem Verkauf des Hauses an einen Investor steht nichts mehr im Weg.

Es ist schon das zweite Mal, dass das Vorhaben, das Haus zu retten, scheitert. Wenn Immobilienbesitzer in Milieuschutzgebieten ein Gebäude verkaufen wollen, können Kommunen unter bestimmten Voraussetzungen das Vorkaufsrecht ausüben. Das heißt, dass der Bezirk die Immobilie erwirbt oder dieses Recht zugunsten eines gemeinwohlorientierten Dritten ausübt. Im Fall der Schönleinstraße 19 wollte der Bezirk davon Ende 2024 Gebrauch machen, scheiterte aber am Geld. »Damals konnte das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden, weil der Senat dem Bezirk die Verwendung von Städtebaufördermitteln nicht genehmigte«, teilt der Bezirk mit.

Das Kreuzberger Wohnhaus ist in einem eher schlechten baulichen Zustand. Der ursprüngliche Eigentümer hatte nicht viel für die Instandhaltung getan. Als er verstarb, ging das Haus an eine Erbengemeinschaft. Als Käufer wurde zunächst ein österreichischer Immobilienentwickler gefunden[1]. Nach dem Scheitern des ersten Vorkaufs schien es als würde das Haus an ihn gehen. Mitte des Jahres kam eine überraschende Wende: Das Unternehmen trat vom Kauf zurück. Mit dem neuen Verkauf war wieder der Vorkauf durch den Bezirk im Spiel. Aber die Frist dafür lief am 15. Dezember ab.

Dabei hatte man sich große Hoffnungen gemacht. Im November unterzeichnte der Bezirk für ein anderes Kreuzberger Wohnhaus in der Gneisenaustraße 9 eine Abwendungsvereinbarung[2]. Mit diesen Verträgen können Käufer verhindern, dass Bezirke ihnen die Häuser wegschnappen. In der Gneisenaustraße beinhaltete diese Vereinbarung den Schutz vor Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen, dass es keine Luxussanierungen geben wird und dass in dem Haus auch keine möblierten Wohnungen vermietet werden. Seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2021 ist das Vorkaufsrecht praktisch auf »Schrottimmobilien« beschränkt[3]. Wurde die Option vorher in Berlin tausendfach gezogen, liegt die Zahl gekaufter Immobilien und auch von Abwendungsvereinbarungen heute im einstelligen Bereich[4].

In der Schönleinstraße hatten Bezirk und Bewohner*innen auf einen Kauf durch eine Genossenschaft gehofft. Zwölf der 17 Mietparteien waren sogar bereit, dafür ihre Miete freiwillig zu erhöhen. Am Ende sei der Vorkauf aus »organisatorischen Gründen« nicht umsetzbar gewesen, wie der Bezirk mitteilt. In der Folge hatte der Bezirk die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eingeschaltet, die wiederum ein landeseigenes Wohnungsunternehmen[5] ins Spiel brachte. Dieses sagte wegen »Unwirtschaftlichkeit« ab.

»Ich bedauere sehr, dass der Senat diese Chance nicht genutzt hat«, sagt Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat des Bezirks. Auf Grundlage einer gutachterlichen Stellungnahme hätten die Erwerbskosten bei Vorkauf um 50 Prozent reduziert werden können, so Schmidt. »Der Senat hätte die Chance gehabt, eine Immobilie mit baulichen Mängeln zu einem fairen Preis zu erwerben und den Mieter*innen Schutz vor Verdrängung zu gewähren.«

Mieter T. ist sich nicht sicher, ob der jetzt genehmigte Verkauf wirklich zustande kommt. »Hier muss sehr viel investiert werden«, sagt er. Niemand wolle viel Geld in ein Haus stecken, ohne dass sich das rentiere. »Es braucht eine politische Entscheidung für unser Haus«, fordert er. Nur so könne man sicher sein, dass Mieter*innen nicht verdrängt werden. »Wir werden als Hausgemeinschaft aber auf jeden Fall weiter zusammenstehen. Und unser Protest wird auch nicht nachlassen.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187656.mietenwahnsinn-schoenleinstrasse-vor-investoren-retten.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195466.vorkaufsrecht-abwendungsvereinbarung-schuetzt-mieter-in-gneisenaustrasse.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191328.berlin-friedrichshain-vorkaufsrecht-bei-haus-mit-kult-balkon-an-der-warschauer-strasse.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191338.richibrauni-vorkaufsrecht-neukoellner-novum-rettet-mieter.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186336.mieterhoehungen-landeseigene-wohnungsunternehmen-mal-mehr-miete.html