nd-aktuell.de / 22.12.2025 / Berlin

AfD will das Andenken an Clara Zetkin beschmutzen

Bezirksverordneten­versammlung von Char­lotten­burg-Wilmers­dorf weist Anschul­di­gungen zurück

Andreas Fritsche
Denkmal für Clara Zetkin vor der alten Dorfschule in Königshain-Wiederau, Mittelsachsen
Denkmal für Clara Zetkin vor der alten Dorfschule in Königshain-Wiederau, Mittelsachsen

»Clara Zetkin war keine harmlose Vorkämpferin für Frauenrechte. Sie war eine radikale Marxistin-Leninistin, eine glühende Unterstützerin der Sowjetunion, die unter Stalin eine der blutigsten Diktaturen des 20. Jahrhunderts wurde. Zetkin wollte genau das für Deutschland.«

Das sagte Michael Seyfert (AfD) am Donnerstagabend vergangener Woche in der Berliner Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf. Er regte sich auf, weil Bezirksbürgermeisterin Kristin Bauch (Grüne) in der vorhergehenden Sitzung am 20. November Clara Zetkin[1] ein historisches Vorbild genannt hatte. Die AfD beantragte daraufhin, dass sich die BVV von Bauchs Lob für Zetkin distanziere. Zetkin sei eine »extreme Antidemokratin« gewesen, habe die Weimarer Republik bekämpft und die Sozialdemokraten in stalinistischer Manier als Sozialfaschisten bewertet, begründeten die drei AfD-Bezirksverordneten Michael Seyfert, Gregor Kadow und Martin Kohler ihren Vorstoß.

Doch nur sie selbst stimmten am Donnerstag in der BVV für ihren Antrag. Alle anderen Bezirksverordneten lehnten das Ansinnen ab. Wenn die AfD behaupte, Clara Zetkin sei eine Feindin der Demokratie gewesen, so sei dies eine »verkürzte, instrumentalisierte Lesart der Geschichte«, sagte die Bezirksverordnete Anja Kraus (Grüne) anstelle der abwesenden Bezirksbürgermeisterin. Zetkin habe für das Frauenwahlrecht, soziale Teilhabe, für Frieden und gegen den Faschismus gestritten. »Das sind keine antidemokratischen Ziele. Das sind Grundpfeiler der Demokratie«, betonte Kraus. In der Kaiserzeit habe es in Deutschland praktisch keine Demokratie gegeben, in der Weimarer Republik sei die Demokratie von Anfang an bedroht gewesen. Zetkin habe die Demokratie nicht abschaffen wollen, sondern im Gegenteil mehr Demokratie gewollt. Und Zetkin habe »früh erkannt, dass Gleichberechtigung ohne soziale Gerechtigkeit nicht möglich ist«.

Kraus sagte, wer heute Clara Zetkin angreife, dem gehe es darum, »Frauenrechte, Antifaschismus und soziale Gerechtigkeit zu delegitimieren, indem man ihre Vertreterin diffamiert«. Sie sagte außerdem: »Was die AfD von Frauen hält, wissen wir.«

Der Bezirksverordnete Rüdiger Deißler (Linke) erinnerte daran, dass Zektin 27 Jahre lang die sozialdemokratische Frauenzeitschrift »Die Gleichheit« redigierte. »Bereits 1923 warnte Zetkin in einer beeindruckenden und differenzierten Rede vor dem Faschismus in Italien und Ungarn und auch vor dem aufkommenden Faschismus der deutschen Nazis. Sie orientierte auf eine Einheitsfront aller Antifaschisten«, so Deißler. Die verhängnisvolle Sozialfaschismus-Theorie der KPD, nach der die SPD ihr Hauptfeind sein sollte, habe Clara Zetkin[2] später abgelehnt. Am 30. August 1932 hatte Zetkin als Alterspräsidentin den Reichstag eröffnet und dabei ein Jahr vor ihrem Tod in der Sowjetunion einmal mehr vor der heraufziehenden Gefahr des Faschismus gewarnt. Die Linke lasse das Andenken an die kämpferische Sozialistin und Antifaschistin nicht von der AfD beschmutzen, stellte Deißler klar.

Wer sich kundig machen wolle, dem empfahl Deißler einen Besuch in der Clara-Zetkin-Gedenkstätte[3] im brandenburgischen Birkenwerder. Das Haus an der Summter Straße 4 war ihr letzter Wohnort in Deutschland. Im sächsischen Konigshain-Wiederau wird im Museum in der alten Dorfschule an Leben und Wirken dieser Frau erinnert. Sie war 1857 in Wiederau zur Welt gekommen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/104210.eine-kammer-erinnert-an-clara-zetkin.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185417.kommunisten-clara-zetkin-deshalb-bitte-ich-um-strengste-vertraulichkeit.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/168066.nd-wanderer-im-haus-clara-zetkins.html?