Antiquitätenjäger sucht Hariri-Mörder

Kanadier löst Belgier als UN-Chefermittler ab

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Jürgen Cain Külbel, Beirut

Erneut wechselt der UN-Chefermittler im Fall des ermordeten früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Was der Belgier Brammertz nicht schaffte, soll nun der Kanadier Bellemare richten.

Nach der Berentung im September wollte sich David A. Bellemare, bis Dezember 2006 Vize-Generalbundesanwalt, dann Sonderberater im Justizministerium seines Landes, ausschließlich seinen Sammlungen und der Jagd nach Antiquitäten, die er eigenhändig restauriert, widmen. Doch dann erhörte er den Ruf von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der ihn ab 1. Januar zum Chefermittler der Internationalen Unabhängigen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen (UNIIIC) macht.

Diese befasst sich mit dem Sprengstoffanschlag vom 14. Februar 2005 in Beirut, bei dem Libanons früherer Ppremier Rafik Hariri getötet wurde, sowie der folgenden Attentatsserie. Der Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis, erster Chefermittler, machte im Sommer 2005 in bizarrer Raschheit libanesische und syrische Geheimdienste als Drahtzieher aus und sorgte für die Verhaftung von vier »prosyrischen« libanesischen Generälen – ein Leckerbissen für die USA, die dem »Schurkenstaat« Mitverantwortung zuschieben konnten. Damaskus bestreitet die Vorwürfe vehement.

Bellemare löst den belgischen Staatsanwalt Serge Brammertz ab, der als Chefankläger zum Jugoslawien-Tribunal nach Den Haag umzieht. Brammertz hatte im Juli signalisiert, man habe »Personen identifiziert, die involviert gewesen sein könnten«. Dass er keine Namen nannte, verwundert kaum, konnte doch die UNIIIC »mögliche Motive« für die Tat bislang nur »signifikant eingrenzen«. Obwohl die Ermittler im Nebel stochern, will Brammertz seine unfertigen Ergebnisse dem Sondergericht, das in den Niederlanden eingerichtet werden wird, übergeben. UN-Diplomaten meinen, bis zur ersten Sitzung des Tribunals werden sowieso noch viele Monate vergehen.

Bellemare, so verfügte Ban Ki Moon, soll nach Abschluss seiner Ermittlungen zum Ankläger werden. »Der Generalsekretär ist der Ansicht, dass dieses Vorgehen einen koordinierten Übergang von den Aktivitäten der Kommission zu denen der Behörde des Sondergerichts sichert«, hieß es. Im Klartext: Kriminalist und Staatsanwalt sind ein und dieselbe Person.

Einst bemerkte der Kanadier, es sei nicht leicht, Ankläger zu sein. »Es erfordert Demut und die Bereitschaft, gegebenenfalls Fehler anzuerkennen und geeignete Schritte zu ergreifen, um sie zu korrigieren. Staatsanwälte müssen leidenschaftlich mit den Problemen umgehen, aber mitfühlend in ihrem Vorgehen, immer von Fairness und gesundem Menschenverstand geleitet.« Für sein Wirken wurde er 2005 von der damaligen kanadischen Generalgouverneurin Adrienne Clarkson besonders wegen seines Beitrags zur »Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafjustiz und der Frage der Menschenrechte« ausgezeichnet..

Dass er dies ernst meint, könne er ab Januar 2008 beweisen, erklärt nun die libanesische Menschenrechtsorganisation Lebanese Center for Human Rights, die die vier ohne konkrete Anklage in Haft sitzenden Generäle nicht freikämpfen konnte. Brammertz, der eine »Extremistengruppe« für den Anschlag auf Hariri verantwortlich zeichnete, wies bereits »fünf Mal kategorisch jedwede Verwicklung« der Militärs von der Hand.

Libanons Justiz, in den Händen der Prowestler, tut sich schwer. Längst sind die Generäle politische Gefangene, Spielball im Kampf zwischen dem prowestlichen und dem prosyrischen Lager. Ohne die »Ingredienz Generäle« wären so manche Erklärungen Walid Dschumblatts, Drusenchef und Anführer der »Zedernrevolution«, kaum mehr möglich. »Ich glaube, es sind Syrien und sein Verbündeter, die Hisbollah«, erklärt er zu dem Attentat. Und Saad Hariri, derzeit Führer der Parlamentsmehrheit und Sohn des Getöteten, behauptete, er habe Beweise, dass die Syrer Anschlagspläne gegen ihn selbst und Premierminister Fuad Siniora schmiedeten.

Völlig unter geht da die Klage gegen den israelischen Geheimdienst Mossad, die Angehörige des 2005 durch eine Autobombe ermordeten früheren Chefs der Kommunistischen Partei Libanons, Georges Hawi, einreichten. Ebenso wenig Beachtung findet eine in der Journaille angeschwemmte Top-Secret-Meldung eines europäischen Geheimdienstes, in der von einem Plan zur Ermordung des Oppositionellen Michel Aoun die Rede ist. Der ist Präsidentschaftskandidat, Führer der Freien Patriotischen Bewegung und Verbündeter der Hisbollah.

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