Sozialdetektive auf die richtige Spur

LINKE in Treptow-Köpenick fordert stärkere Kontrolle der Träger statt der ALG-II-Empfänger

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie überprüfen Klingelschilder, um Namen abzugleichen. Inspizieren Wohnungen, Kühlschränke und Betten – in der Bevölkerung werden sie »Sozialdetektive« genannt, manche bezeichnen sie respektlos als »Sozialschnüffler«. Gemeint sind die Außendienstmitarbeiter der Arbeitsagenturen, die von der Behörde entsandt werden, wenn »Fallmanager« Zweifel hegen, ob die Ansprüche von Empfängern von Sozialleistungen berechtigt sind – oder anonyme Anschuldigungen vorliegen.

»Diese Überprüfungen können menschenunwürdig sein.« Marion Drögsler, Vorstandsvorsitzende des Arbeitslosenverbands Berlin und zugleich Bundesvorsitzende, weiß, wovon sie spricht. In Beratungen würden sich viele Betroffene über die Methoden der Agenturmitarbeiter beschweren. »Problematisch wird es immer dann, wenn es darum geht, gegen die Betroffenen vorzugehen«, sagt Drögsler. Insbesondere seit der Verschärfung der Hartz-IV-Gesetze vor einem Jahr seien die Kontrollen noch strenger geworden.

Inwieweit die zusätzlichen Mitarbeiter und verstärkten Überprüfungen zu mehr Einsparungen geführt haben, kann Drögsler nicht beurteilen: Fakt sei jedoch, dass in den allermeisten Situationen kein Betrug vorliege. Eine Erfahrung, die auch Dan Mechtel gemacht hat. Als Anwalt hat er ebenfalls Klienten, »an deren Matratzen gehorcht wird«, wie er sagt. Einmal habe er einen 60-Jährigen vertreten, der bei einer 83-Jährigen untergekommen war. Die Arbeitsagentur unterstellte, es würde sich um eine »Bedarfsgemeinschaft« handeln, dem 60-Jährigen wurden die Bezüge gestrichen. Das Sozialgericht revidierte die Kürzungen später zwar, für Dan Mechtel steht jedoch fest, dass die »Sozialdetektive« grundsätzlich die falschen Prioritäten verfolgen.

Dies will der Anwalt nun ändern – zumindest in Treptow-Köpenick. Denn Mechtel ist zudem sozialpolitischer Sprecher und Mitglied der LINKEN-BVV-Fraktion des Bezirks, in dem die LINKE heute einen Antrag einbringen will, in dem gefordert wird, dass künftig der »Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch« die Träger von Ein-Euro-Jobs überprüfen soll statt die Empfänger.

»Ich hege keinen Generalverdacht«, sagt Mechtel, »aber es gibt Träger, die ausschließlich dazu gegründet wurden, die Fördergelder abzugreifen.« Das zu kontrollieren, wäre sinnvoller, meinen deshalb die Linken in Treptow-Köpenick.

Bei der Berliner Arbeitsagentur weist man indes die Vorwürfe zurück. »Unsere Außendienstmitarbeiter agieren nur in Kooperation mit den Kunden«, erklärt Sprecher Uwe Mählmann. Prüfungen von Trägern, die Mittel erhalten, gebe es außerdem: Zehn Prozent würden standardmäßig gecheckt, darüber hinaus gehe man Hinweisen von Beschäftigten zu Fehlverhalten von Trägern nach, etwa wenn in den »Maßnahmen« nicht das gemacht wird, was ausgeschrieben wurde. Dann drohen Sanktionen, sagt Mählmann.

Wenn es wirklich um Geld ginge, müssten die Mitarbeiter der Agentur geschult werden, meint dagegen Marion Drögsel. Denn die meisten Kosten würden doch durch das Fehlverhalten der Mitarbeiter, die nichtfunktionierende Software und die daraus resultierenden Sozialgerichtsprozesse entstehen.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal