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»Rasender Roland« bald auf dem Abstellgleis?

An der Kleinbahn auf Rügen nagt der Zahn der Zeit, Eisenbahnfreunde wollen das drohende Aus verhindern

  • Andreas Küstermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn am 28. Dezember das Bewerbungsverfahren für eine Neuvergabe des vom Landkreis Rügen gekündigten Betreibervertrages der Rügenschen Kleinbahn (RüKB) abgeschlossen sein wird, könnte es für den potenziellen Nachfolger des derzeitigen Betreibers Hermann Schöntag ein böses Erwachen geben. Denn die RüKB fährt auf Verschleiß. Wesentliche Teile des Lokmaterials sind weit über ihre Hauptuntersuchung (HU) und mussten deshalb schon stillgelegt werden. Andere nähern sich dem Termin. Politisch hat der Landkreis Rügen zwischenzeitlich jedoch seine Bereitschaft bekundet, das 1996 für den sprichwörtlichen Euro verkaufte Anlagevermögen für zwei Millionen Euro zurückzuerwerben und es an den neuen Betreiber zu vermieten.

Vorausgesetzt, es gibt einen Nachfolger und Hermann Schöntag, kürzlich wegen Veruntreuung von 1,5 Millionen Euro angeklagt, bleibt nicht durch juristische Tricks weiter selbst am Steuer. Eine Vorstrafe allerdings würde seinen Posten nach Eisenbahnverkehrsgesetz hinfällig machen. Und eine Klage von Hermann Schöntag gegen die Kündigung seines Betreibervertrages hat das Amtsgericht Bergen auf Rügen eben erst zurückgewiesen.

RüKB-Eisenbahnbetriebsleiter Harald Gau macht am Telefon den Eindruck, er würde gerne mehr tun als die Schultern zu zucken. Ein fähiger Mann, aber derzeit machtlos, konstatieren Beobachter. Er dementiert nicht die Aussage, dass wesentliche Teile des Fuhrparks ab dem 2. Quartal 2008 keine Hauptuntersuchung mehr haben, kann aber nicht mehr sagen. »Haben sie dafür Verständnis.«

Acht Jahre gilt die Hauptuntersuchung einer Lokomotive maximal und läuft mit Glockenschlag ab. Einziges solides Werk in Deutschland ist laut Expertenmeinung das Bahninstandsetzungswerk Meiningen, das für manche Kleinbahnen derzeit sogar Neubauten auflegt. »Für Putbus sind nicht einmal Instandsetzungen vorgesehen«, ist von Geschäftsführer Jürgen Eichhorn zu erfahren. »Die RüKB zehrt vermutlich noch von den erfolgreichen Hauptuntersuchungen der letzten Jahre«, so Eichhorn. Das Szenario: Hochsaison 2008 auf Rügen und in Putbus regiert der Schrott. Auf der Warteliste für Meiningen steht bis Juli 2008 jedenfalls keine Lok aus Putbus. »Drei Monate benötigen wir jedoch schon für eine HU«, gibt Eichhorn zu bedenken.

Wirklich Klartext reden darf Jochen Warsow. Der frühere Betriebsleiter der Kleinbahn ist pensioniert und nach drei Jahren von seiner Schweigepflicht entbunden. Und Mitglied des Fördervereins der RüKB. »Die Kleinbahn fährt derzeit mit einem hohen Grad an Störanfälligkeit, wie es kurz vor der Hauptuntersuchung üblich ist, wenn nichts mehr getan wird. Das allerdings gab es nicht einmal bei der Reichsbahn der DDR. Alles geht auf Verschleiß und es wurde trotz guten Umsatzes kaum wesentlich investiert.«

Warsow lässt kein gutes Haar am derzeitigen Zustand. »Die Mitarbeiter sind frustriert und demotiviert. In der Schlosserei sind kaum noch Ersatzteile vorhanden, um wenigstens Notreparaturen zu machen und die Kohle, die gefahren wird, besteht fast nur aus Staub und zu verschieden großer Körnung, was den Kesseln und im Übrigen auch der Umgegend wegen Rußentwicklung nicht gut tut.« Auf dem Gelände sei im Übrigen eine Schlackenhalde von mehr als 50 Tonnen, weil auch an den Entsorgungskosten gespart werde. »Ich wundere mich, dass das Umweltamt wegen illegaler Sondermülllagerung nicht einschreitet. Der neue Eigentümer wird die Augen ganz schön aufreißen, wenn das alles ruchbar wird«, meint Warsow. »Das muss der wissen. Sonst geht es erneut zum Schaden der Kleinbahn«, befürchtet er und fragt: »Warum eigentlich schafft es der Landkreis nicht zusammen mit den Kommunen, eine gemeinsame Gesellschaft wie bei allen anderen erfolgreichen Kleinbahnen zu gründen?« Vorschläge gibt es, doch die Zeit ist vorbei, in der bei klammen Kassen und großzügigen Fördergeldern solche Konstrukte einfach machbar waren. Heute kämpft der Kreis Rügen um seine Existenz.

Warsow selbst besucht regelmäßig deutschlandweit Kleinbahnen und sagt, man müsse sich über den Zustand auf Rügen schämen. Keiner der Verantwortlichen habe ihn jedoch bisher nach Lösungen gefragt, obwohl er seit 1962 dabei sei. Die Betriebssicherheit übrigens stellt Jochen Warsow aktuell nicht in Frage. Noch nicht.

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