Naturschutz ohne Leitwolf

Umwelt ist Mainstream – doch ihre Fürsprecher kennt kaum noch einer

  • Walter Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.
Den 85-jährigen Horst Stern kennen noch immer viele Bundesbürger. Bernhard Grzimek, Petra Kelly und Heinz Sielmann sowieso. Doch wer verkörpert Natur- oder Umweltschutz in Deutschland heute? Warum fehlt ein prominentes Gesicht? Versuche einer Antworten aus der Umweltszene.

Kennen Sie Hubert Weinzierl? Das zu ermitteln, wäre mal eine Aufgabe für die Umfrage-Institute. Überraschen dürfte das vermutete Ergebnis kaum: Allenfalls fünf bis zehn Prozent der Befragten werden den Namen eines der verdientesten Kämpfer für den Naturschutz in Deutschland kennen, noch weniger ein Gesicht damit verbinden. Dabei war der 71-jährige Weinzierl jahrelang Vorsitzender des Umweltverbandes BUND und ist heute Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR) sowie Mitglied im »Rat für Nachhaltige Entwicklung« der Bundesregierung.

Doch weshalb wäre das Umfrage-Ergebnis so mager? Claus-Peter Hutter, Präsident der Umweltstiftung Euronatur, hat über diese Frage schon »oftmals nachgedacht«. Im Umwelt- und Naturschutz seien »so viele Individualisten tätig, und die Szene ist so zersplittert, dass sich da gar niemand als bekannter Kopf herausbilden konnte«. Daran mit Schuld ist für Hutter aber auch die Uneinigkeit der Umweltszene mit ihren »großen Egoismen«. Sie schaffe es nicht, »zusammenzutreten und gemeinsam zu überlegen, welche ein oder zwei Gesichter sie aufbauen könnte. Da man es versäumt hat, jemanden aufzubauen, ist jetzt die bekannteste Figur in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit Angela Merkel.« Hutter missgönnt der Kanzlerin das nicht einmal.

Das Image-Problem des Naturschutzes kennt zur Genüge auch Hartmut Vogtmann, der kürzlich aus dem Amt geschiedene Präsident des dafür zuständigen Bundesamtes in Bonn. Zwei Gründe erscheinen Vogtmann besonders erwähnenswert. »In den Nachkriegsjahren war neben dem Wirtschaftswunder kaum Platz für unsere Naturwunder«, sagt der Professor für Öko-Landbau. »Erst als die Folgen ungehemmten Wachstums sichtbar wurden, schlug die Stunde der Fernsehpioniere des Naturschutzes.« Es sei nicht zuletzt »das Verdienst von Horst Stern, Bernhard Grzimek und Heinz Sielmann, dass der Naturschutz heute viele Gesichter hat und zu einer breiten gesellschaftlichen Strömung geworden ist«. Doch habe der »Mainstream«-Naturschutz dazu geführt, dass »streitbare und polarisierende Köpfe oft geglättet« würden.

Zweitens erschwere der »im Grundsatz sicher richtige Ansatz eines integrativen, auf Konsens und Kompromiss angelegten Naturschutzes« bisweilen eine markante Profilbildung. »Während die Nutzergruppen ihre Belange oft ungeschminkt vertreten können, wird vom Naturschutz erwartet, die konkurrierenden Interessen bereits mitzudenken«, bedauert Vogtmann. »Dies lässt unser Anliegen oft so komplex und manchmal auch technisch erscheinen, dass das Charisma dabei zu kurz kommt«, findet der Naturschutzexperte.

Dass dem Naturschutz prominente Köpfe fehlen, hält zwar auch Angelika Zahrnt für eine zutreffende Beobachtung. »Diese zeugt zugleich aber auch von einer unbestimmten Sehnsucht nach so genannten Führungsfiguren in der Umwelt- oder Naturschutzbewegung«, kontert die scheidende Vorsitzende des Umweltverbandes BUND, die ihr Amt Anfang Dezember aufgeben wird.

Zahrnt zufolge gibt es »hierzulande inzwischen eine ausdifferenzierte Umweltszene, die zwar Führungspersönlichkeiten hat, aber ihre Wirksamkeit eher aus der vielfältigen inhaltlichen und lobbyistischen Arbeit für den Schutz der natürlichen Ressourcen herleitet«. Dass es heute nicht mehr so stark wie in früheren Zeiten bekannter Leitpersonen bedürfe, um Umwelt- und Naturschutz vehement auf die politische Agenda zu heben, »erscheint mir eher ein Vorteil«, betont Zahrnt.

Naturschutz ohne medienwirksame Lobbyisten? Darauf fällt dem Präsidenten der Umweltstiftung WWF Deutschland zunächst eine eher scherzhafte Antwort ein: »Naturschutz hat ein prominentes Gesicht: Es ist schwarz-weiß und symbolisiert einen Panda«. – Detlev Drenckhahn meint das Markenzeichen seiner Organisation.

Doch dann führt der Professor für Anatomie an der Universität Würzburg ein wichtiges Argument für die geringe Bekanntheit heutiger Streiter für Umwelt- und Naturschutz ins Feld. »Heinz Sielmann und Bernhard Grzimek waren natürlich prominente Botschafter für den Naturschutz«, sagt der WWF-Präsident. »Zu ihrer Zeit gab es aber auch nur drei TV-Programme, und ›Expeditionen ins Tierreich‹ erreichte Zuschauerzahlen, von denen selbst Thomas Gottschalk nur träumen kann.« Heute würde selbst der provozierende Heinz Stern vermutlich einfach weggezappt.

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