Dampfender Schneeball

Komet 17P/Holmes inzwischen größer als die Sonne

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sternenhimmel vollzieht sich derzeit ein Schauspiel, das selbst Astronomen in Erstaunen versetzt: Der Komet 17P/Holmes, der ansonsten recht lichtschwach und nur mit größeren Fernrohren zu beobachten ist, strahlt seit einigen Wochen zigtausendfach heller als gewöhnlich. Das heißt, bei idealen Sichtbedingungen kann man den flüchtigen Himmelskörper als gelblichen Lichtfleck im Sternbild Perseus sogar mit bloßem Auge erkennen.

Zwar nimmt die Helligkeit des Kometen langsam wieder ab, dafür aber dehnt sich seine Hülle, die sogenannte Koma, immer weiter aus. Deren Durchmesser ist inzwischen weit größer als der Durchmesser der Sonne. Damit wäre der Komet 17P/Holmes streng genommen als das zur Zeit größte Objekt in unserem Planetensystem anzusehen. Die Erde wird durch diese Entwicklung freilich nicht bedroht. Denn anders als zum Beispiel der Komet Hyakutake, der am 25. März 1996 unserem Planeten bis auf 15 Millionen Kilometer nahe gekommen war, ist 17P/Holmes von der Erde beruhigende 250 Millionen Kilometer entfernt.

Nach astronomischer Klassifikation gehört der periodische Komet 17P/Holmes zur Jupiterfamilie und umrundet die Sonne in sieben Jahren. Zum ersten Mal gesichtet wurde er übrigens am 6. November 1892 von dem britischen Hobbyastronomen Edwin Holmes in der Nähe des Andromedanebels. Schon damals genügte der bloße Augenschein, um das helle Objekt am Firmament zu identifizieren.

Helligkeitsausbrüche sind bei Kometen mithin keine Seltenheit. Was insofern verwundert, als in der wissenschaftlichen Literatur Kometen gern auch als »schmutzige Schneebälle« bezeichnet werden. Denn sie besitzen einen harten Kern aus Eis und Staub, der fast die gesamte Masse des Himmelskörpers beherbergt. Gleichwohl ist der Durchmesser des Kerns relativ klein und beträgt etwa bei 17P/Holmes nur vier Kilometer. Immer dann, wenn ein Komet in Sonnennähe kommt, sublimiert das Eis zu Gas und bricht als solches durch die Kruste. Auf diese Weise entsteht die ständig sich erneuernde Koma, die den Kern umhüllt und eine Ausdehnung von mehreren Millionen Kilometern erreichen kann. Viele Kometen besitzen überdies einen Schweif, der von der Sonne wegweist und sich bildet, wenn der Sonnenwind Gas- oder Staubpartikel aus der Koma in den kosmischen Raum bläst.

Bei 17P/Holmes ist ein Schweif hingegen nicht zu erkennen. Aber möglicherweise wird dieser von der riesigen Koma nur verdeckt. Bleibt zuletzt die Frage, wie der momentane und von keinem Astronomen vorhergesagte Helligkeitsausbruch zu erklären ist. Eine Hypothese besagt: Durch den Einfluss der Sonne wurde Material aus dem Kometenkern explosionsartig ins All geschleudert. Dem steht jedoch die Tatsache entgegen, dass im Oktober 2007, als 17P/Holmes plötzlich hell aufblitzte, sein Abstand zur Sonne viel zu groß war, um von dieser dermaßen stark beeinflusst zu werden.

Einer anderen Theorie zufolge hat ein Felsbrocken den Kometen gerammt. Dabei brach der Kometenkern auf oder sogar auseinander, und es entstand eine gewaltige Staubwolke. Diese breitet sich seither mit rasender Geschwindigkeit im All aus. Tatsächlich gibt es im Raum zwischen Mars und Jupiter, wo 17P/Holmes seine elliptische Bahn um die Sonne zieht, viele massive Asteroiden. Doch die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision der genannten Art ist unter den gegenwärtigen kosmischen Bedingungen als äußerst gering einzuschätzen. Mit einem Wort: Der größte je beobachtete Helligkeitsanstieg bei einem Kometen stellt für Astronomen weiterhin ein Rätsel dar.

In früheren Zeiten blickten die Menschen bekanntlich mit Furcht auf die imposanten Schweifsterne. Denn diese galten als Vorboten von Seuchen, Hungersnöten oder Kriegen sogar. Und heute? Heute leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter, das keinen Raum mehr lässt für solche Narreteien – sollte man glauben. Doch Thilo Elsner, der Direktor der Bochumer Sternwarte, weiß hier anderes zu berichten: »Bei uns rufen Leute an und fragen, ob sie wegen 17P/Holmes ihre Aktienpakete verkaufen sollen.«

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