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»Das ist wie Leicht- gegen Schwergewicht«

Ghanas Bauernpräsident Mohammed Adam Nashiru kritisiert die Liberalisierungsforderungen der EU

  • Lesedauer: 4 Min.
Mohammed Adam Nashiru ist Präsident des Bauernverbands von Ghana (PFAG). Er nimmt auf Einladung der Nichtregierungsorganisationen Germanwatch und FIAN kommende Woche in Berlin an der Konferenz »African smallholders in focus - a voice in EU trade policy« (Afrikanische Kleinbauern im Fokus - eine Stimme in der EU-Handelspolitik) teil. Mit ihm sprach Martin Ling.
»Das ist wie Leicht- gegen Schwergewicht«

ND: Was erwarten Sie vom Gipfel in Lissabon?
Nashiru: Wir erwarten eine klare Botschaft. Wir erwarten, dass Maßnahmen zum Schutz der afrikanischen Bauern verkündet werden. Auch die afrikanischen Bauern benötigen ein Spielfeld, auf dem sie existieren können!

Erwarten Sie das oder fordern Sie das?
Wir fordern das und wir erwarten das. Wir fordern von unseren afrikanischen Staats- und Regierungschefs, dass sie die kritische Situation im afrikanischen Agrarbereich deutlich zur Sprache bringen und die EU zu einem Kurswandel bewegen. Am Ende des Gipfels müssen konkrete Schutzmaßnahmen stehen!

Haben Sie Vertrauen in Ihre politischen Führer, dass sie sich für Ihre Interessen stark machen?
Wir haben sie die letzten fünf, sechs Jahre mit unserer Kampagne für die Interessen der afrikanischen Bauern bearbeitet. Wir haben mit allen Präsidenten gesprochen und sie davon überzeugen können, dass eine wirtschaftliche Entwicklung in Afrika ohne die Entwicklung des Agrarsektors nicht denkbar ist.

Welche praktischen Folgen hat diese Überzeugungsarbeit?
Sie zeigt durchaus Wirkung. Mein Heimatland Ghana zum Beispiel weigert sich, die von der EU geforderten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zu unterzeichnen. Auch andere Länder weigern sich. Die EPA dürfen jetzt nicht unterschrieben werden!

Die Verhandlungen zu den EPA sollten bis Anfang 2008 abgeschlossen werden. In Afrika gibt es viel Widerstand. Was kritisieren Sie vor allem?
Die EPA bedeuten eine verschärfte Liberalisierung und wir haben bereits Erfahrung mit Liberalisierung durch die Strukturanpassungsprogramme, die uns seit den 80er Jahren vom Internationalen Währungsfonds und der Weltbank auferlegt worden sind. Seit der erzwungenen Öffnung unserer Märkte haben wir riesige Probleme mit der Schwemme importierter Produkte aus Europa und anderen Regionen der Welt, denen unsere lokalen Produzenten nicht gewachsen sind. Die EPA werden diese Situation weiter verschlimmern. Afrikanische Produzenten sind auf sich allein gestellt – sie erhalten keine Subventionen. Das ist ein ungleicher Wettkampf.

Was sind die Folgen?
Diese Ungleichheit zieht viele Probleme in anderen Bereichen nach sich: Die Einkommensverluste schränken den Zugang zu Gesundheit, Wasser, Bildung und Wohnraum ein. Rechte, die die UNO als soziale Menschenrechte anerkannt hat. Wir fordern von der EU, dass sie diese grundlegenden Rechte bei ihrer Politik endlich berücksichtigt. Es würde die Welt friedlicher machen. Jeder Mensch sollte die selben Rechte haben. Wenn ich hier in Deutschland sehe, was die deutschen Bauern für eine Unterstützung erhalten, und es mit unserer Lage vergleiche, komme ich zu dem Schluss: Hier läuft was falsch.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Liberalisierung im Agrarsektor gemacht?
Schlechte. 1975 waren wir zum Beispiel Selbstversorger bei Reis und normalerweise exportierten wir sogar Reis. Heutzutage importieren wir Reis aus aller Herren Länder. Dasselbe gilt für Tomatenmark und Geflügelteile, die in Europa keiner essen will. 400 000 Geflügelfarmer haben allein in Ghana ihre Existenzgrundlage verloren. Da läuft etwas falsch und ich denke, der Fehler kommt aus Europa.

Worin besteht dieser Fehler?
Alle Unterstützung, die die Europäische Union und die EU-Staaten afrikanischen Ländern gewähren, verknüpfen sie mit Bedingungen: Nur wenn ihr das tut, bekommt ihr das. Und das heißt meist: Nur wenn ihr weiter liberalisiert, bekommt ihr weiter Unterstützung. Das ist für Afrikas Entwicklung fatal.

Was fordern Sie für den Agrarsektor?
Einen fairen Wettbewerb, ein Spielfeld, das allen Akteuren Raum zum Überleben gibt. Wenn das nicht passiert, wird der Unfrieden in der Welt wachsen.

Die EU ist in ihrer Handelspolitik strikt auf Liberalisierung ausgerichtet. Handelskommissar Peter Mandelson lässt daran keine Zweifel aufkommen. Wie wollen Sie die Liberalisierungsspirale stoppen?
Es ist dumm von der EU, an diesem Kurs festzuhalten. Das ist, als wolle man einem Baby keine Milch mehr geben und ihm sagen: Steh auf deinen eigenen Füßen! Damit tötet man das Baby definitiv! Wir können nicht liberalisieren, solange wir nicht stark genug dafür sind. Die afrikanischen Industrien und der Agrarsektor sind nicht reif für einen Wettkampf mit der EU. Das ist wie Leichtgewicht gegen Schwergewicht im Boxkampf: Technischer K.O. für Afrika.

Deshalb setzen wir unsere politischen Führer unter Druck: Wenn sie sich nicht für unsere Forderungen einsetzen, wählen wir sie ab! Ich glaube, dass sie das inzwischen verstanden haben.

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