Mehr als Symbole der DDR-Schule

Sonderausstellung mit dem Potenzial, Treffpunkt der Generationen zu werden

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 2 Min.
Historisch
Historisch

Auf das Jahr 1977 wurde in den letzten Monaten oft zurückgeblickt. Meist war da vom »deutschen Herbst« die Rede. Begriffe wie »Imperialismus« und »Klassenfeind« fanden sogar Eingang in die bürgerlichen Medien, wenn von RAF und 2. Juni berichtet wurde. Doch eine kleine Ausstellung im Schulmuseum macht bewusst, dass diese Begriffe nicht nur von Meinhof, Meins und Mahler gebraucht wurden.

Herzstück der Ausstellung »Schule in der DDR« ist die Video-dokumentation einer Geschichtsstunde aus dem Jahre 1977, in der der Bau der Mauer behandelt wurde. In der Herleitung der Ereignisse fallen diese Begriffe wie selbstverständlich; schließlich wird erklärt, wie sehr die »sozialistische Umgestaltung« vom »Klassengegner« bedroht war. Das Video ist eines von rund 100, die der Berliner Bildungshistoriker Henning Schluss aus den Beständen des Aufnahmestudios der Humboldt-Universität erschlossen und digitalisiert hat. Es ist allerdings das einzige, das derzeit öffentlich gezeigt werden darf; nur hier haben bislang alle Beteiligten ihr Einverständnis gegeben.

Um das Video herum, das einen authentischen Blick in die DDR-Schule der 70er Jahre liefert, sind historische Dokumente und Materialien gruppiert, die die Schule in der DDR aus eigener Sicht zeigen. Kuriosum ist eine Wanderausstellung, die das Prinzip Gemeinschaftsschule und den polytechnischen Unterricht preist und die in den 70er Jahren auch in der BRD unterwegs war. Daneben werden Schulbücher und Materialien für die Lehrer präsentiert. Auf Fotos sind glückliche jüngere Schulkinder und eher genervte Jugendliche zu sehen. FDJ-Hemden und Pionierhalstücher sind – verglichen mit dem empirischen Schulalltag – etwas überrepräsentiert, aber immerhin tappt die Ausstellung nicht in die beliebte Falle, die diagnostizierte Ideologisierung der Schule an solch oberflächlichen Symbolen festzumachen.

»Schule in der DDR« wurde sehr kurzfristig anlässlich der Vorstellung des Filmrekonstruktionsprojekts (www.fachportal-paedagogik.de/filme) aus den Beständen des Schulmuseums zusammengestellt. Es ergänzt die Dauerausstellung über 100 Jahre Schule. Die Ausstellung hat das Potenzial, zu einem Treffpunkt der Generationen zu werden. »Umfragen haben ergeben, dass viele heutige Berliner Schüler wenig über die DDR wissen. Sie haben aber ein recht positives Bild über die DDR. Das müssen sie von ihrem Elternhaus vermittelt bekommen haben – also von jenen, die in den 70er und 80er Jahren hier zur Schule gegangen sind«, sagt Ausstellungsmacherin Rita Weber. Die Wissenschaftlerin hofft, dass nun Eltern und Kinder in Scharen die Gelegenheit zum Dialog nutzen werden – und die Museumsmitarbeiter dadurch neue Perspektiven auf die DDR-Schule gewinnen können.

Schulmuseum, Wallstr. 32, Mitte, bis 31.1.2008, di-fr 9-17, sa, so 10 -18, ab 1.1.2008 neu: mo-fr 9-17

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