Zusammen fließt es

Njamy Sitson über J.S. Bach und Afrika

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Was ist das Thema Ihres musikalischen Abends »Briefe an Herrn Johann Sebastian Bach«?
Sitson: Es geht darum, wie ein Afrikaner die Musik von Bach versteht. Kontrapunktik und Polyphonie findet man auch in der traditionellen afrikanischen Musik. In Europa ist es zwar anders, aber man kann trotzdem eine Verbindung zwischen beiden finden. Insofern geht es auch um Völkerverständigung.

Sie verarbeiten dieses Thema künstlerisch, indem Sie eine Geschichte erzählen.
Genau. Es ist wie ein Märchen: Ein Pfarrer kommt im 18. Jahrhundert nach Afrika und bringt diese europäische Musik mit. In dem Dorf, in das er zieht, trifft er auf die afrikanische Kultur. Es entsteht ein gegenseitiges Interesse. Im Endeffekt merkt man, dass die Musik keine Grenze kennt.

Wie gelingt es Ihnen, europäische Barockmusik und westafrikanische Polyphonie musikalisch in Einklang zu bringen?
Im ersten Augenblick fällt dieser Gedanke schwer. Es gibt aber tatsächlich Parallelen – sowohl in der Rhythmik als auch in der Harmonik. Da ich Christ bin, habe ich nicht nur traditionelle Musik kennengelernt, sondern auch Barockmusik. Ich habe einen Weg gefunden, beide zu kombinieren. Nicht, ohne zu forcieren, aber es fließt.

Welche Instrumente nutzen Sie?
Afrikanische Trommel und Harfe: das Ngoni, ein Erzählinstrument aus Westafrika. Und eine Zither aus Kamerun, die heißt Mvet. Ich werde auch ein paar Bach-Kantaten singen, die dazu passen. In der afrikanischen Vokalpolyphie geht es nämlich auch um die Benutzung der Stimme als Instrument. Wer sich dafür interessiert, kann den Workshop besuchen, den ich im Vorfeld des Konzertes gebe.

Im geplanten zweiten Teil des Projekts wird die Geschichte eines Schwarzen am Preußischen Königshof erzählt. Welches Verhältnis bestand damals zwischen Eropäern und Afrikanern?
Es gab in dieser Zeit zwar Sklaverei, aber einige Afrikaner, die nach Europa gebracht wurden, lebten am Hof. Dort bekamen sie eine besondere Erziehung, lernten Marschmusik und wurden Hofmusiker. Diese Afrikaner haben ihre Kultur mit nach Europa gebracht.

Was hat Sie selbst nach Deutschland geführt?
Ich bin seit Februar 2000 hier. Die deutschen Philosophen haben mich beeinflusst, da ich Philosophie in Kamerun studiert habe. Ich bin gekommen, um hier weiter zu studieren, die Sprache und das Land kennenzulernen. Ich habe festgestellt, dass Deutschland ein Kraftort ist. Die Deutschen haben die Fähigkeit, sich in Frage zu stellen. Ich möchte dieses Volk kennenlernen, seine Denker, Musiker. Bach oder Händel – das sind die Quellen, die niemals versiegen.

Stoßen Sie auf Ressentiments?
Es kommt darauf an, wo man ist und mit wem man sich beschäftigt. Es gibt auch Vorurteile, aber ich denke, das ist Unwissenheit. Meine Aufgabe ist es nicht, Menschen zu ändern, sondern andere Kultur mitzubringen, um Völkerverständigung zu ermöglichen.

Fragen: Martin Hatzius

Workshop am 15./16.12., Konzert am 16.12. im Wirtshaus Max und Moritz, Berlin-Kreuzberg. Informationen unter (030) 695 15 911 oder (030) 4508 3743

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