Eigener Regelsatz für Kinder

Erwerbsloseninitiativen fordern Reform der Hartz-IV-Gesetze

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einem neuen Positionspapier für einen eigenständigen Kinderregelsatz im Sozialleistungsbezug will die Bundesarbeitsgemeinschaft der Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen e.V. (BAG-SHI) offensiv gegen Kinderarmut vorgehen. Bei einer Bundesfachkonferenz in Bingen am Rhein verabschiedete die BAG-SHI eine entsprechende Resolution.

Laut Andreas Geiger, Bundesvorsitzender der Organisation, kann nur ein eigenständiger und nach Altersgruppen gestaffelter Regelsatz Kindern und Jugendlichen aus materiell und sozial schlechter gestellten Familien gesellschaftliche Teilhabe und Bildungschancen ermöglichen. Dabei müsse durch die Einführung von drei Altersklassen für Kinder altersspezifischen Ausgaben Rechnung getragen werden. Für Kinder unter sechs Jahren fordert das Positionspapier 370€ Euro, für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren 438 und für Heranwachsende von 13 bis 18 Jahren 486 Euro monatlich. Bislang orientiert sich der Betrag für Kinder von Hartz-IV-Empfängern am Regelsatz für Erwachsene in Höhe von 347 Euro; für unter 14-Jährige werden pauschal 60 Prozent und für über 14-jährige Kinder 80 Prozent des vollen Satzes bezahlt.

Die von der BAG-SHI geforderten Kinderregelsätze müssten, so Geiger, zudem regelmäßig an die Inflationsrate angepasst werden. Zudem sei einer Wiedereinführung für nachweisbare einmalige Mehrbedarfsleistungen nötig, die in der derzeitigen Regelsatzerhebung nicht vorgesehen seien. Für ihre Forderungen sucht die BAG-SHI nun die Unterstützung von Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und Verbände, Bundestagsfraktionen, außerparlamentarische Bewegungen, Nationaler Armutskonferenz wie auch bei einschlägigen Initiativen vor Ort.

Die in Bingen verabschiedeten Forderungen gründeten sich auf die Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2003 über die Ausgaben von Familien für Kinder, so Geiger. Diese sei auch die Datengrundlage der Bundesregierung. Anders als bei den derzeit noch für Hartz IV-Leistungen bestehenden Regelsätzen beruhten die BAG-SHI-Berechnungen auf den konkret für Kinder und Jugendliche erhobenen Ausgaben von Familien, erklärte Geiger. Die Hartz-IV-Regelsätze widersprächen der Lebensrealität von Familien.

»Die notwendige Erhöhung des Regelsatzes für Kinder und Jugendliche bedeutet nicht, dass die BAG-SHI die Höhe des Erwachsenenregelsatzes für ausreichend hält«, ergänzte Hinrich Garms, Geschäftsführer der BAG-SHI. Auch hier müsse dringend nachgebessert werden. Bundesweit gelten derzeit rund drei Millionen Kinder als arm. Knapp 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche sind auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) angewiesen. Geiger begrüßte die von den Arbeits- und Sozialministern der Länder geforderte Überprüfung der Kinderregelsätze. Allerdings sei es traurig, dass die zuständigen Landesminister somit erst knapp drei Jahre nach Einführung von Hartz IV auf die Kritik von Initiativen und Verbänden reagiert hätten.

Scharfe Kritik äußerte die Fachkonferenz an einem erst vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Neuberechnung und teilweisen Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei Arbeitslosengeld II und Sozialgeld. Demnach strebt das Ministerium u. a. die Neuanrechnung der Verpflegung an, die Hilfebedürftige z. B. während längerer Klinikaufenthalte oder vom Arbeitgeber erhalten. Der Entwurf soll dem Vernehmen nach bereits zum 1. Januar 2008 in Kraft treten und läuft einer Empfehlung des Petitionsausschusses des Bundestages zuwider.

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