Superhafen mit trübem Fahrwasser

Der Jade-Weser-Port beschäftigt Gerichte und Parlament

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 6 Min.
Ein Tiefseehafen in der niedersächsischen Provinz soll Hamburg und Bremen in einigen Jahren Konkurrenz machen. Das Milliardenprojekt könnte sich für die Landesregierung im Wahlkampf als Bumerang erweisen.

Das deutsche Tor zur Welt, bislang der Hamburger Hafen, soll an die Nordsee verlegt werden. »Warum muss die Elbe für die großen Containerriesen immer tiefer ausgebaggert werden?«, fragt ein Logistikexperte und hat auch gleich die Antwort parat: »Es wäre für die Umwelt gesünder und obendrein weit wirtschaftlicher, wenn die Millionen Stahlboxen aus China und Asien statt elbaufwärts in Hamburg an einem Superhafen an der Nordsee umgeladen würden.«

»Jahrhundert-Projekt« auf der grünen Wiese
An diese geradezu staatsmonopolistische Theorie glaubt man auch im ansonsten eher wirtschaftsliberalen Kabinett in Hannover. Aber das »Jahrhundert-Projekt«, dessen Kaje einmal 1,725 Kilometer lang sein soll, kommt nicht recht voran. Für den »Jade-Weser-Port« vor Wilhelmshaven sollen 44 Millionen Kubikmeter Sand aufgespült werden – eine Menge, die der Ladung von rund drei Millionen schweren Lkw entspricht. Große Mengen an Stahl, Beton und Steinen sollen später verhindern, dass die Gezeiten den Sand in die See hinaustragen. Matthias Schrell, Standortmanager der Logistikfirma Rhenus, schwärmt von einem »elementaren Ereignis« und nennt den auf der grünen Wiese geplanten Superhafen an der Jade-Fahrrinne eine kühne »Vision«. Die reicht allerdings bis ins Jahr 1994 zurück. Umgesetzt wurde davon bislang nur wenig, der eigentliche Baubeginn ist immer noch ungewiss.

2010 sollten die größten Containerschiffe der Welt den Nordseehafen in der Provinz erstmals anlaufen. Allerdings hat die Justiz das Projekt abrupt gestoppt. Das Oberlandesgericht Celle schloss im September den Essener Konzern Hochtief aus. Dem größten deutschen Baukonzern hatte die staatliche JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co. KG Ende April die Zusage für den Bauauftrag gegeben. Dagegen hatte der unterlegene Mittelständler Johann Bunte aus Papenburg geklagt – und gewonnen.

In dem Streit geht es um den Zuschlag für einen 480-Millionen-Euro-Auftrag. Nach Auffassung der Celler Richter hat Hochtief schlicht gepfuscht, so fehle in deren Konzept ein ausreichender Hochwasserschutz. Der Gewinner der Ausschreibung sei deshalb »zwingend von der Wertung auszuschließen«, heißt es in dem rechtskräftigen Beschluss. In Essen ist man geschockt, denn die Ausschreibungsbedingungen waren Hochtief wie auf den Leib geschrieben, munkelt man in Wilhelmshaven. »Wir können die Entscheidung des Gerichts nicht nachvollziehen«, klagt ein Konzernsprecher. Hochtief baut gerade Häfen in Bremerhaven, in Gdansk und in Südafrika.

Durch den Gerichtsbeschluss wurde der bisherige Zeitplan weit über den Deich geworfen. Eigentlich hätten in diesem Herbst die ersten Bagger anrollen sollen. Der Stopp könnte der Regierung in Hannover angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Ende Januar noch schwer zu schaffen machen, zumal gleichzeitig ein Korruptionsverdacht aufgetaucht ist. Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) und Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatten sich vehement hinter die Entscheidung für Hochtief gestellt. Wulff muss es nun notgedrungen hinnehmen, dass die wenig prestigeträchtige Firma Bunte das teuerste Prestigeprojekt des Landes bauen darf.

Die maritime Geschichte Wilhelmshavens reicht bis ins Jahr 1888 zurück – damals ließ Kaiser Wilhelm II. hier seinen Reichskriegshafen an der Nordsee ausbauen, als Gegenstück zur Ostseebasis Kiel, und verpasste ihm gleich seinen Namen. Von der einstigen Sonderstellung ist der schrumpfenden Mittelstadt noch ein Marinestützpunkt mit 8000 Soldaten geblieben.

Randregion mit hoher Arbeitslosigkeit
Die Schließung der Olympia-Büromaschinenwerke Anfang der 90er Jahre steht für den Niedergang des Industriestandortes am Rande der Republik. In der Region mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit weckt der neben dem Ölhafen geplante Jade-Weser-Port daher Hoffnungen auf bessere Zeiten. Etwa 1000 neue Arbeitsplätze sollen hier entstehen, noch einmal so viele in Logistikfirmen, die sich neu ansiedeln sollen. Dies alles hat seinen Preis: Die Gesamtkosten des Projekts für Land und Bund werden auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt. Ministerpräsident Wulff hofft auf Wählerstimmen.

Politische Unterstützung für das Projekt gab es aber auch vom politischen Konkurrenten. SPD-Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und auch sein grüner Vorgänger Jürgen Trittin machten sich mit der umstrittenen Studie »Nachhaltigkeitsaspekte der nationalen Seehafenkonzeption« um den Superhafen verdient. Im Schulterschluss mit der Umweltlobby von Greenpeace bis WWF forderten sie mit klassischen Öko-Argumenten eine »nationale Hafenpolitik«, die Wilhelmshaven nützen würde – auf Kosten der logistisch günstiger gelegenen Häfen Bremen und Hamburg.

Doch auch der Jade-Weser-Port würde einen Kompromiss zwischen Ökonomie und Ökologie erforderlich machen. Er müsste nämlich erst an das deutsche Fernstraßennetz angeschlossen werden, denn weder der teilweise einspurige Bahnanschluss noch die Anbindung an das europäische Wasserstraßennetz würden reichen, die erwarteten großen Frachtmengen von und nach Wilhelmshaven zu befördern. Umweltverbände warnen, dass zusätzlich zum neuen Hafen ein Kanal gebaut werden soll, der den Jade-Busen mit der Weser verbinden soll. Beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg sind zudem zwei Eilverfahren von Umweltschutzverbänden und sechs Hauptsacheverfahren gegen den Port anhängig. Natur- und Umweltschutzrichtlinien seien bei der Planung gröblichst missachtet worden, so die Kläger. Das Gericht dürfte erst frühestens zum Jahreswechsel sein Urteil fällen. Bis dahin wird nicht gebaut.

Seit kurzem versucht der niedersächsische Landtag mit einem Untersuchungsausschuss Klarheit in das trübe Hafenwasser zu bringen. Hat sich bei der Vergabe des 480-Millionen-Euro-Bauloses die Politik zugunsten des Essener Baugiganten Hochtief eingemischt? Die Antwort könnte für Ministerpräsident Wulff und seinen Kompagnon Hirche am Wahltag im Januar unangenehm werden.

Aber auch Wulffs Vorgänger, den jetzigen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, belastet der Ausschuss. Der Jade-Weser-Port soll, wenn er denn eines Tages fertig wird, hauptsächlich vom internationalen Hafenbetreiber Eurogate genutzt werden. An dem ist die Stadt Bremen maßgeblich beteiligt. Zu den Baukosten trägt allerdings Eurogate/Bremen nur einen kleineren Teil bei. Hat also Gabriel seiner Zeit mit dem damaligen bremischen SPD-Oberbürgermeister Henning Scherf einen parteifreundlichen Handel auf Kosten des Landes Niedersachsen abgeschlossen?

165 Ordner hat das CDU-FDP-Kabinett Anfang November für den Untersuchungsausschuss freigegeben. Bei der letzten Sitzung vergangenen Donnerstag soll der Manager der Jade-Weser-Port-Gesellschaft, Jürgen Holtermann, schwere Vorwürfe erhoben haben. Im Vergabeverfahren seien Gutachten unter den Tisch gekehrt worden. Das ganze Procedere sei nicht diskriminierungsfrei abgelaufen.

Die (noch) nicht im Parlament vertretene Linkspartei kritisiert beim Jahrhundert-Projekt »Missmanagement« und den Verstoß gegen Umweltrichtlinien, die SPD will Hamburg wieder ins Boot holen. Im Mai 2002 hatte sich die Hansestadt gegen die Ausübung ihrer Option auf einen 20-prozentigen Gesellschafteranteil am Jade-Weser-Port entschieden. Man stärkte lieber die alte Kolonie Cuxhaven, die früher zu Hamburg gehörte. Erst 2005 unterzeichneten der niedersächsische Wirtschaftsminister Hirche und der hanseatische Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) im Hamburger Rathaus den Staatsvertrag zur Aufhebung der Containersperrklausel. Damit wurde der Weg für eine unbeschränkte Weiterentwicklung des Cuxhavener Hafens frei gemacht.

Mindestens sechs Jahre Verspätung
Soviel steht fest: Der Superhafen wird gegenüber der ursprünglichen Planung erst mit sechs Jahren Verspätung alle Pforten öffnen können und scheibchenweise entstehen. In Hannover verbreitet die Landesregierung bis zum Wahlabend die Legende, bis 2010 trotz der Verzögerungen mit dem Milliardenprojekt wenigstens zur Hälfte fertig zu sein. Insgesamt sollen vier Liegeplätze für Containerriesen mit mehr als 300 Meter Länge entstehen. Pro Jahr sollen dann 2,7 Millionen Standardcontainer umgeschlagen werden. »Peanuts« aus Sicht der Hansestädte, die dem noch nicht existierenden Konkurrenten längst weit enteilt sind. Wenn in Wilhelmshaven der Startschuss fällt, werden Bremen und Hamburg laut Prognosen genau das Zehnfache, also 27 Millionen Container, bewegen. Ohne einen weiteren Ausbau von Weser und Elbe wäre dies aber nicht zu machen.

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