Werbung

Die Schüler brillieren in Wettbewerben

Am Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain bekennt man sich zur Leistungsorientierung

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Gegensatz könnte kaum größer sein: Inmitten der einstigen Besetzerhochburg Rigaer Straße in Friedrichshain liegt mit der Heinrich-Hertz-Oberschule eines der Vorzeige-Gymnasien Deutschlands. Die Fassade des 100-jährigen Schulgebäudes ist wie die der umliegenden Häuser mit bunten Graffiti zugewuchert. Doch damit hören die nachbarschaftlichen Gemeinsamkeiten auch schon auf. Wenn man mit Besetzer-Leben »lange schlafen, gemeinsam feiern und endlos viel Zeit auf Plena verbringen« assoziieren kann, dann bietet das mathematisch-naturwissenschaftlich orientierte Gymnasium das absolute Kontrastprogramm.

Blitzblank und ein wenig nüchtern ist die Schule im Inneren. Stunden- und Pausenzeiten werden exakt eingehalten. Und während in der Besetzerszene meist das Dabeisein schon ausreicht, ist die Hertz-Oberschule vom Leistungsdenken geprägt. Anderthalb Jahre mehr Mathematik als auf anderen Gymnasien wird hier unterrichtet. Auch die Lehrpläne in Physik, Chemie und Biologie sind erweitert. Immer wieder brillieren daher Hertz-Schüler bei nationalen und internationalen Wettbewerben.

Bei »Jugend forscht« gelangen Projekte wie neue Tragflächenkonstruktionen oder digitale Archivsysteme regelmäßig in den Endausscheid auf Bundesebene. Bei Mathematik-, Biologie- und Informatik-Olympiaden werden seit zehn Jahren Medaillen abgeräumt. Überflieger Peter Scholze holte drei Mal hintereinander sogar die Goldmedaille im Fach Mathematik.

»Ja, wir sind eine Eliteschule«, geben Jakob (19) und Mathias (18) unumwunden zu. Sie lächeln ein wenig verlegen, als sie das sagen, weil der Begriff Elite eben auch mit Arroganz aufgeladen ist. Arroganz mögen sie nicht. Zu der Leistungsorientierung bekennen sie sich jedoch. »Wir gehen gern auf diese Schule – jedenfalls in dem Rahmen, in dem man gern auf eine Schule gehen kann. Denn hier kann man gut lernen. Es gibt keine Gewalt, wie man es von anderen Schulen so hört«, sagt Jakob und Mathias nickt bestätigend.

Beide sind wegen ihres Interesses für Mathematik auf diese Schule gekommen. Langweilig wird ihnen dieses Fach nie. »Unsere Lehrer sagen uns nicht: ›So und so ist das.‹ Vielmehr werden wir aufgefordert, eigene Lösungen zu finden. Da sind auch Alternativen erlaubt«, sagt Mathias. »Kaum etwas ist schöner, als einen Beweis selbst herzuleiten«, ergänzt Jakob. »Selbst wenn das schon Tausende vor uns getan haben, so macht es doch Freude, das selbst für sich zu entdecken«, bekundet er.

Diese Methode des ständigen Hinterfragens und Selbsterarbeitens strahlt auch auf die anderen Fächer aus. Wer stets nach dem Warum in der trockenen Mathematik fragt, wird das erst recht bei anderen Fächern tun. Und die anderen Lehrer sind noch mehr motiviert, den Mathespezialisten ihren Stoff nahezubringen, haben die Schüler beobachtet.

Auch Schulleiterin Barbara Cohaus hält den Mitnahmeeffekt aus Mathematik und Naturwissenschaften für zentral. »Die hier erlernten Denkstrategien helfen auf allen Gebieten. Die Naturwissenschaften zeichnen sich zudem durch einen hohen experimentellen Anteil aus, was der Entdeckungsfreude weiter zuträglich ist.«

Wer nun glaubt, dass musische Erziehung und Bewegung bei dieser kopflastigen Umgebung ins Hintertreffen geraten, sieht sich getäuscht. Zwar wird der Unterricht in Sport und Musik gekürzt, um zusätzliche Stunden in den Kernfächern zu haben. Doch gleich beim Betreten der Schule dringt durch eine Tür Gesang. Der Männerchor der Schule hat nach Ansicht von Barbara Cohaus hohe Qualität. Und auch die Volleyball- und Basketballauswahl der Hertz-Oberschule trumpft zumindest auf landesweitem Parkett gehörig auf.

Wegen der starken inhaltlichen Fokussierung scheinen die großen Klassenstärken – 32 Schüler, wie berlinweit üblich – nicht sonderlich ins Gewicht zu fallen. Wer lernen will, konzentriert sich. Und die Konzentration des einen strahlt positiv auf die anderen aus. Und selbst Schüler, für die sich im Laufe der Jahre Mathematik doch nicht als Lieblingsfach herausgestellt hat, bleiben wegen der guten Lernatmosphäre an der Schule, hat Barbara Cohaus bemerkt.

Die Nachbarschaft mit den besetzten und ehemals besetzten Häusern bezeichnet Cohaus übrigens mit einem Begriff aus den Endzeiten des Kalten Krieges: »Wir leben friedliche Koexistenz. Wenn es mal zu laut wird, gehen wir rüber und bitten darum, die Musik leiser zu machen. Das klappt dann auch.« Mehr Kontakt ist nicht. Die 550 Schüler in den Klassenstufen fünf bis 13 sowie die 73 Lehrer sind eine Insel in einer Insel.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal