nd-aktuell.de / 11.12.2007 / Gesund leben / Seite 14

Die Rezension - Unberechenbar

Simone Bartsch

In der Welt der Psychologie und Psychopathologie wird der Jähzorn als eine affektive Persönlichkeitsstörung, als ein Aspekt unter insgesamt acht Kriterien der Borderline-Symptomatik und als unausbalancierter Choleriker-Charakterstil gesehen. Dennoch gilt Jähzorn in den beiden als Orientierung geltenden internationalen Klassifikationen nicht als psychische Störung

Prominente Betroffene wie Zinedine Zidane oder Naomi Campbell könnten wohl ein Lied von der Widersprüchlichkeit des Jähzorns singen, wenn sie denn singen könnten. Im Jähzorn versuchen Betroffene, über Lebens- und Beziehungsabbrüche eine Gefühlsbrücke herzustellen. Jähzorn ist zielgerichtet und möchte eine ungerechte Situation wieder ins Lot rücken. Die innere Wallung, dieser Ausdruck der brutalen Offenheit erzeugen Schrecken und Einschüchterung. Jähzorn beinhaltet vorsprachliche Gefühlsmomente, die nur animalisch ausgedrückt werden können. So paradox es ist: Der auf Gesundung gerichtete affektologische Aspekt des Jähzorns ist die momentane Gefühlsbefreiung, der offene Atemraum, ein Ausgleichen der inneren und äußeren sozialpsychologischen Druckverhältnisse.

Dieses Buch ist kein Nachschlagewerk, in dem man eben mal schnell nachlesen kann, wie man den eigenen Zornesausbrüchen oder denen nahestehender Menschen zu Leibe rücken kann. Es beschäftigt sich mit den Ursachen des Jähzorns, auch den historischen. Es betrachtet Auslöser, Anfälle und Verläufe dieser aggressiven Gefühlsausbrüche und es zeigt gleichzeitig Möglichkeiten, wie Menschen sich vom Jähzorn befreien können. Gut zu wissen, dass es diese gibt.

Theodor Itten: Jähzorn. Psychotherapeutische Antworten auf ein unberechenbares Gefühl, Springer-Verlag Wien 2007, gebunden, 193 Seiten, 1 Abbildung, 24,95 EUR.