Die Kraft der Aids-Kranken

Afrikanische Filmemacher durchbrechen ein Tabu und klären auf

  • Lesedauer: 4 Min.
In seiner Filmreihe »Steps for the Future« (Schritte für die Zukunft) beschäftigt sich der südafrikanische Filmproduzent Don Edkins mit HIV/Aids-Aufklärung - mit großem Publikumserfolg. Die Filme wurden weltweit von insgesamt 25 Fernsehsendern ausgestrahlt und auf mehr als 180 Filmfestivals gezeigt. Mit Don Edkins sprach für ND Elke Kuhne.

ND: Wie ist die Idee zu der Filmreihe »Steps for the Future« entstanden?
Edkins: Wir hatten damals ein mobiles Kino in Lesotho. Wir zeigten Dokumentarfilme, die sich mit lokalen politischen und sozialen Themen beschäftigten. Im Frühjahr 2000 kam ein Bauer auf mich zu und fragte mich, ob ich denn nicht auch irgendwelche Filme über HIV/Aids hätte. Er habe zwar davon gehört, aber wisse nichts darüber. Zu dieser Zeit hatten wir nur Filme aus Uganda, die kaum etwas mit der Situation in Lesotho zu tun hatten. Eines der größten Probleme war ohnehin, dass HIV/Aids immer als etwas wahrgenommen worden war, das irgendwo anders, aber niemals in der unmittelbaren Nachbarschaft existierte.

Gemeinsam mit einem Freund und Kollegen, Ikka Vehkalahti, Chefredakteur eines finnischen Fernsehsenders, entschloss ich mich, Filme zu produzieren, die sich mit HIV/Aids im südlichen Afrika beschäftigten. Ikka Vehkalahti wusste nur von Filmen, die von Leuten außerhalb des südlichen Afrikas gemacht worden waren. Wir fanden es deshalb wichtig und dringend nötig, dass sich lokale Filmemacher für dieses Thema engagieren.

War es schwer, Kooperationspartner oder Geldgeber zu finden?
Es gab zwei Arten von Kooperationspartnern. Zum einen waren es Fernsehsender, die einen Teil der Finanzierung übernahmen. Zum anderen gab es staatliche und nicht-staatliche Organisationen, die sich mit Aufklärung über Aids beschäftigten.

Es ist ungewöhnlich, wie freimütig sich die Menschen vor der Kamera äußern und sich beobachten lassen. Woran liegt das?
Unser Ansatz war, dass sich die Menschen, die HIV-positiv sind, sowohl an der Entwicklung des Projekts als auch den verfilmten Geschichten beteiligen konnten. Dadurch, dass alle Filmemacher aus dem südlichen Afrika stammten, entstand eine Vertrauensbasis zwischen ihnen und den Darstellern. Die Menschen, die HIV-positiv waren, wollten unbedingt bei dem Projekt mitmachen, weil wir sie eben nicht als Opfer darstellen, sondern vor allem ihre Kraft zeigen wollten, mit der sie die Herausforderungen meisterten.

Macht es einen Unterschied, ob man einen Film aus Lesotho dort oder in Simbabwe zeigt?
Im allgemeinen mögen die Zuschauer die Filme aus ihrer Heimat am liebsten, weil sie sich mit Menschen und Situationen identifizieren können, die ihnen vertraut sind. Aber die Zuschauer haben auch eine Beziehung zu den Geschichten aus den Nachbarländern – es gibt viele Gemeinsamkeiten. Überall werden Menschen durch die Filme ermutigt, freimütig über Tabuthemen zu sprechen und die Tatsache zu akzeptieren, dass jeder irgendwie mit HIV und Aids zu tun hat. Nach einer der ersten Filmvorführungen stand plötzlich eine Frau auf und sagte: »Jetzt habe ich keine Angst mehr davor, mit jemandem in einem Raum zu sein, der HIV-positiv ist.«

Die Filme haben eine optimistische Tendenz – der Untertitel der Reihe lautet »Das Leben ist eigentlich eine positive Sache«. Wie waren die Reaktionen in Südafrika, als die Filme zum ersten Mal im Fernsehen gezeigt wurden?
Einer der Gründe, warum wir das Projekt begonnen haben, war, dem negativen Bild, das von den Medien außerhalb Afrikas gezeichnet wurde, etwas entgegenzusetzen. Für sie bedeutete die Pandemie vor allem Schicksal, Katastrophe und Tod. Aber uns war klar, dass weit mehr Menschen mit HIV leben als an Aids sterben. Diejenigen, die offen mit ihrer Krankheit umgehen, zeigen Kraft und Stärke. Als die Filme im südafrikanischen Fernsehen gezeigt wurden, konnten sich die Zuschauer mit den aufgeworfenen Fragen und den Schwierigkeiten im Umgang mit HIV/Aids identifizieren.

Wird die Reihe fortgesetzt oder aktualisiert? Was für Pläne haben Sie?
Wir haben seitdem zwei weitere Filme realisiert. Einer dokumentiert den Einsatz der Filme in Dörfern und Gemeinden in Lesotho und zeigt, wie die Darsteller nach den Vorführungen mit den Zuschauern diskutieren. Ein zweiter beschäftigt sich mit den Behandlungsmöglichkeiten. Seit damals haben sehr viel mehr Menschen Zugang zu Medikamenten. Wir würden gerne noch einige Filme mit jungen Menschen und für sie drehen, die sich nicht nur mit HIV/Aids befassen, sondern mit all den Themen, die damit zusammenhängen und mit denen man sich im Alltag auseinandersetzt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal