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Bisschen blöd, dafür blond

In der Bonner Oper geht Wagners »Ring« als Musical über die Bühne

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass erst jetzt jemand darauf gekommen ist, aus Richard Wagners »Ring« ein Musical zu machen. Einige musikalische Steilvorlagen fürs Verrocken gibt es ja – vom Schmiedehämmern der Nibelungen über das Wuchten der Riesen bis hin zum Trauermarsch bei Siegfrieds Tod. Viel Rhythmus. Viel edler Lärm. Und für die effektvolle Szenerie jede Menge Kampf und fantastische Effekte. Nicht zu vergessen, einen Strahlemann als Held: Siegfried. Bisschen blöd, aber dafür schön blond.

In der von der Bonner Oper in Auftrag gegebenen ersten Musical-Version des »Rings« ist er blond und schön. Kann halbnackt vor sich hin posieren, tanzen, kämpfen und, wenn er wieder bei Stimme ist, sicher auch noch besser in den Mikroport singen als bei der Premiere. Die Bonner Oper hat den Vorzug des Genius Loci. Sie steht nämlich ziemlich dicht an genau dem Rhein, aus dem das schlecht bewachte Rheingold bei Wagner, und jetzt auch bei Frank Nimsgern, entwendet wird.

Der selbst mit seiner Band rockende »Ring«-Neuerfinder ist zudem familiär vorbelastet. Sein Vater Siegmund Nimsgern war selbst ein berühmter Wotan in Bayreuth und anderswo. Dabei ist das, was der Sohn und sein Texter Daniel Call jetzt zum »Symphonik-Rock-Musical« verarbeitet haben, keineswegs ein künstlerisch verbrämter Vatermord. Wenn Nimsgern nämlich sporadisch, aber gut platziert, Wagner-Motive in seine eher nach Massenware klingende Nummernfolge einbaut, erträgt man das nicht nur amüsiert, sondern wüsste gern, wie das weitergehen könnte.

Im Text findet diese gelegentliche musikalische Ironie freilich keine Entsprechung. Da ist der Absturz von Wagners stabgereimter Wortakrobatik ins banalste Kitsch-Blabla, die das moderne Gebrauchs-Musical zu bieten hat, höchstens durch die Comedy-Einlagen der – hier vier – Rheintöchter abgefedert. Mit hessischem, russischem, französischem und blondem Akzent. Sonst herrscht der hohe, ziemlich hohle Phrasenton. Reicht auch fürs versimpelte Restpersonal als da sind: Alberich (Darius Merstein-MacLeod), der den Rheintöchtern den Ring klaut. Wotan (Karim Khawatmi), der seinerseits Alberich das Schmuckstück abnimmt. Alles so ähnlich wie in Wagners »Rheingold« nur mit weniger Personal. Wotans Tochter Brunhild (Aino Laos) motzt dann so lange gegen den Alten, bis der sie im Feuerreif schlafen legt. Der beklaute Alberich wiederum baut sich – wie Frankenstein – einen Superhelden. Dann holt dieser Siegfried (Marcus Helzel) Brunhild vom Grill, küsst sie so wach, dass Riesenblumen aus dem Boden sprießen. Und nachdem unsere Frischverliebten noch ihre jeweiligen Erzeuger gekillt haben, geht's auch schon zum großen Finale. »Der Weg ist das Ziel/ Und mein Weg führt zu dir/ Mit all der Macht, die Liebe hat.«

Noch Fragen? Sieht man mal von dem ab, was sie zuweilen singen, dann machen sie optisch was her. Was vor allem an der von Regisseur Christian von Götz und Bühnenbildner Heinz Hauser witzig ironisch arrangierten Einkaufstour durch die Rezeptionsgeschichte des »Rings«, des Films und des Musicals liegt. Professionelle Kampfszenen im Bühnennebel, Wotan-Mantel und Speer, Drachenmaul und Blick ins Projektions-Rheinland vom Felsen aus, das ist schon alles wirkungsvoll. Und dann dauerte das Ganze ja auch nur zweieinhalb Stunden, bis der Jubel des erstaunlich leicht zu begeisternden, um Gildo Horn und Dolly Buster veredelten Musical-Publikums losbrach.

Nächste Vorstellungen: 21., 23., 27. und 31. Dezember

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