Tierisches Spektakel zum Vollmond

»Pushkar Fair« ist größte Kamelmesse der Welt

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.

Hiralal, der Kamelhengst, fletscht die Zähne und rollt böse mit den Augen. »Gehen Sie bloß nicht zu nahe an ihn ran«, warnt Besitzer Sunder Singh. Bedauernd fügt er hinzu, dass sich wegen des unberechenbaren Charakters des Tieres bislang kein Käufer fand. Sein Bruder hingegen verkaufte alle vier Kamele, jedes für umgerechnet 300 Euro. Für ihn hat sich der lange Marsch aus der Gegend von Jaisalmer bis hierher nach Pushkar im Zentrum des Unionsstaates Ra-jasthan zur größten Kamelmesse der Welt und einem der größten Viehbasare Indiens gelohnt. »Ein Züchter«, so verrät Sunder Singh, »erhielt für sein Kamel den Rekordpreis von 250 000 Rupien.« Das sind 4500 Euro. Und ein Pferdeliebhaber blätterte für einen Schimmel gar 5,2 Millionen Rupien (100 000 Euro) hin.

Lagerfeuer-Geschichten

Das sind die Geschichten, die am Abend an Lagerfeuern der Bauern, Viehhändler, Raika-Nomaden, die sich in Rajasthan traditionell mit Kamelzucht befassen, ihre Runde machen, beim Genuss der Wasserpfeife ausgeschmückt werden und natürlich auch den in Scharen angereisten Besuchern erzählt werden. Jedes Jahr zu Vollmond im Hindu-Monat Kartik am Jahresende findet diese einzigartige Viehmesse eine Woche lang statt. Das rajasthanische Touristenbüro hat inzwischen die »Pushkar Fair« mit zahlreichen Veranstaltungen, Ausstellungen, Kamelrennen, »Kameltanzen« usw. längst als profitable Attraktion entdeckt.

Dass sich die Viehmesse bereits vor Jahrhunderten hier in Pushkar im Herzen des Wüstenstaates etabliert hat, liegt ohne Zweifel auch an der religiösen Bedeutung. Laut Hindu-Mythologie ließ hier Schöpfergott Brahma auf der Suche nach einem Platz für ein heiliges Opferzeremoniell eine Lotusblüte fallen. Wo sie die Erde berührte, bildete sich ein See, dessen Wasser noch heute Heilkraft nachgesagt wird, obwohl er wegen unzähliger Opfergaben (Blumen, Süßigkeiten) nicht gerade zum Bade einlädt.

Abzocke beim Opferfest

Wer es dennoch wagt, dem werden angeblich alle Sünden vergeben. Geschäftemacher versuchen, die Touristen wenigstens zu einem Miniopferfest an einer der Badestufen zu überreden, um dafür eine Summe von 20 Euro abzuzocken. Der einzige indische Tempel zu Ehren Brahmas existiert hier in Pushkar und auch seiner Gattin Savitri ist ein eigener Tempel geweiht. Pushkar zählt zu den wichtigsten Pilgerzentren der Hindus.

Unweit von Pushkar bietet Ra-jasthan in Ajmer eine weitere Sehenswürdigkeit. Im 12. Jahrhundert kam aus Persien der Sufi-Asket Khwaja Moinuddin Chisti hierher und gründete einen Zweig des Sufismus (islamische Mystik) in Indien. 1236 starb er und sein Grab, als »Dargah« bzw. »Ajmer Sharif« bekannt, wurde zu einer der bedeutendsten islamischen Pilgerstätten. Doch der Sufi-Heilige wird ebenso von den Hindus, Sikhs und Gläubigen anderen Konfessionen verehrt, wie man sie in der schier endlosen Schlange vor dem Grabmal erkennen kann. Und am Ausgang der Gedenkstätte sitzt ein Kassierer des Dargah-Trusts, der die Spende entgegennimmt und versichert, je mehr man gibt, desto größer sei die Aussicht, dass die vor dem Grab des Khwaja unter einem grünen Tschador (Schleier) geäußerten Wünsche in Erfüllung gehen.

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