Tiefe Genugtuung in Italien

UNO-Votum gegen die Todesstrafe als nationales Verdienst gefeiert

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit 104 Ja-Stimmen hat sich die UNO-Vollversammlung für die Aussetzung der Todesstrafe ausgesprochen. In Italien wurde dieses Votum mit besonderer Genugtuung aufgenommen.

Es brach ein regelrechter Jubelsturm los, als das Abstimmungsergebnis bekannt wurde. Und gleichzeitig empfand man in Italien – von links bis rechts – eine Art nationalen Stolz, wie man ihn in den letzten Jahren ganz selten gesehen hat. Denn die Italiener sind davon überzeugt, dass es in erster Linie ihr Verdienst ist, dass die UNO diese Entscheidung traf, die man wohl als historisch bezeichnen kann.

Tatsächlich bekann der Kampf Italiens gegen die Todesstrafe bereits 1994. Damals präsentierte Italien zum ersten Mal einen Antrag auf Aussetzung der Todesstrafe. Es geschah erst einmal gar nichts, bis 1997 die Menschenrechtskommission in Genf einen italienischen Antrag annahm, der nach New York weitergeleitet wurde. Danach passierte wiederum jahrelang gar nichts. Aber die italienische Diplomatie ließ nicht locker. Man versuchte, die anderen EU-Staaten hinter sich zu bringen, die es sich aber zum Teil nicht mit den mächtigen Todesstrafen-Befürwortern USA und China verderben wollten.

Der »Kampf gegen den Henker« spielte sich aber nicht nur auf der oberen politischen Ebene statt. Viele Organisationen und Gemeinden ergriffen Initiativen. Der Verein »Nessuno tocchi Caino« (»Niemand rühre Kain an«) sammelte über 50 Unterschriften von Nobelpreisträgern. In Rom wurde das Kolosseum jedes Mal angestrahlt, wenn irgendwo in der Welt ein Todesurteil in eine Haftstrafe umgewandelt wurde. Palermo gewährte allen zum Tode Verurteilten die Ehrenbürgerschaft.

Im Juli 2006 verabschiedete das Parlament einstimmig ein Resolution, in der die Regierung aufgefordert wurde, das Problem der Aussetzung der Todesstrafe vor die UNO-Vollversammlung zu bringen – auch ohne das Einverständnis aller EU-Partner. Auch dieses Mal geschah nichts, aber Italien kämpfte weiter, erhielt im Frühjahr dieses Jahres endlich das O.K. aus Brüssel und kontaktierte dann jedes UNO-Mitglied einzeln. Das Ergebnis einer diplomatischen Sisyphusarbeit und Meisterleistung ist das Abstimmungsergebnis vom Dienstag. Weit über die Hälfte der Staaten stimmte für die Aussetzung der Todesstrafe in aller Welt. Wie gesagt: Die Freude ist in Italien groß und betrifft alle Parteien.

»Die Resolution ist keine Einmischung in die internen Angelegenheiten anderer Länder, aber wir ersuchen jeden Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, den Beschluss umzusetzen und auch eine Debatte über die Todesstrafe zu eröffnen«, erklärte Außenminister Massimo D'Alema nach der Abstimmung. Staatspräsident Giorgio Napolitano sprach von »einem Ausgangspunkt, um die ethische Dimension der Außenpolitik« zu verfechten.

Natürlich ist man sich auch in Italien klar darüber, dass die UNO mit ihrer Resolution nur einen ganz kleinen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat. Niemand denkt, dass jetzt plötzlich Länder wie China, Indien, die USA, Iran oder Saudi-Arabien vom Saulus zum Paulus werden und nur aufgrund eines Votums den Henker endgültig in Rente schicken. Proteste dieser Länder wurden bereits laut.

Doch keiner will sich hier jetzt auf den Lorbeeren ausruhen. Das nächste Ziel ist ganz klar die Abschaffung der Todesstrafe in der ganzen Welt. Italien will auch da an vorderster Front mitkämpfen.

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