Als Rühmann Mädchenherzen eroberte

Die Deutsche Kinemathek erinnert in einer Sonderausstellung an die kurzlebige Tonfilmoperette

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie sich Tonfilmoperette und Weltwirtschaftskrise vertragen, dem spürt die Sonderausstellung »Wenn ich sonntags in mein Kino geh’« der Deutschen Kinemathek an der Potsdamer Straße nach – die erste der Reihe »Film.Geschichte«. In sechs Teilen auf 450 Quadratmetern Fläche präsentiert sie ein cineastisches Phänomen, dessen Blütezeit zwischen 1929 und 1933 lag, das scharenweise Publikum in die aus einstigen Operettenhäusern umgebauten Kinopaläste zog und mit dem Siegeszug der Nazis seinen Niedergang erlebte. Kunst im Spannungsfeld politischer Umbrüche.

War der live von Musik begleitete Stummfilm international zu vermarkten, so stieß der Tonfilm an Sprachbarrieren: Fürs Ausland mussten eigene Versionen gedreht werden. Der Unterhaltungsindustrie bot das die Chance, ihre Produkte weiter zu verbreiten, als es Theateraufführungen möglich war. Was bislang nur auf Bühnen zu Hause war, eroberte nun als eigenständige Spezies Tonfilmoperette das neue Medium.

Dass bereits der Stummfilm Stilmittel der Bühnenoperette aufgreift, darauf weisen Plakate für »Ein Walzertraum« und »Die keusche Susanne«, beide Mitte der 1920er entstanden, im »Prolog« der Ausstellung hin. Ein Synchronregler steht für das Bemühen, Film und Musik in Gleichklang zu bringen. Als der Ton mit auf dem Filmstreifen Platz findet, protestieren nur die dadurch arbeitslos gewordenen Orchestermusiker. Richard Taubers Gesangseinlage »Ich küsse Ihre Hand, Madame« leitet 1929 die neue Ära ein.

Der Teil »Tonfilmoperette« zeigt die frühe Hochzeit jenes Genres, als etwa Heinz Rühmann und Willy Fritsch in »Die Drei von der Tankstelle« singend Mädchenherzen erobern und ebenso zu Stars werden wie die multilinguale Lilian Harvey. Werner Richard Heymann steigt bei der Ufa zum erfolgreichen Komponisten auf, Erik Charells »Der Kongress tanzt« gerät zum Welterfolg. Lichttonkamera, Marmorblockmikrofon, Bild-Tonschneidetisch, Ton-Bildprojektor, alle zu besichtigen, machen den Triumph möglich.

Der Bereich »Krise« greift Not und Instabilität jener Übergangsphase von der Weimarer Republik zur Nazidiktatur auf. Die Tonfilmoperette reagiert mit ironisch verbrämten Sozialmärchen um die Sehnsüchte kleiner Leute, während Slatan Dudows Streifen »Kuhle Wampe« die Welt konkreter spiegelt. »Großstadtlichter« beschäftigt sich mit der Glanzära der Tonfilmoperette in Berlin, »Walzerträume« zeigt ihren heurigenseligen Widerschein in Wien. »Epilog« illustriert den Abgesang: Juden werden im »dritten Reich« verfolgt, vertrieben, umgebracht; Goebbels’ Revuestreifen nehmen die Stelle der zu mondänen, zu frivolen Tonfilmoperette ein.

Mehr als 70 Biografien zeichnen Lebenswege nach. Originalpartituren, Drehbücher, Schallplatten, Schmuckalben, Kostüme, Manuskripte und Plakate bebildern eine ansprechende Ausstellung, die auch vom Visuellen zehrt: Flachbildmonitore und Kinokabinette offerieren Ausschnitte aus einem halben Hundert Filme, im Kino Arsenal läuft eine begleitende Filmreihe.

»Wenn ich sonntags in mein Kino geh’« bis 27.4., Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, Mitte, Infos unter 300 90 30 oder www.deutsche-kinemathek.de

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