Die unlustige Wiwe

Die Semperoper beschließt das Jahr mit einem Operetten-Flop

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist ja nicht so, dass sie es in Dresden nicht könnten. Das vermeintlich Leichte ernst nehmen. Den unverwüstlichen Hits durch den Klang der Sächsischen Staatskapelle einen Hauch von Hochkultur verpassen und sie dadurch leuchten lassen. Mit großen Opernstimmen vom Studium der Weiber oder von Vilja, dem Waldmägdelein, trällern lassen und dabei auch noch dem doppelten Operettenboden auf die Spur kommen. Oder die kalauernden Steilvorlagen der Sprechtexte in regionalpolitische Punktlandungen umleiten.

Franz Lehárs »Lustige Witwe« ist eigentlich unverwüstlich. Darauf baut zumindest Manfred Honeck am Pult der Staatskapelle. Auch wenn auf der Bühne von Anfang an klar ist, wie die Sache ausgeht und wer wen kriegt: Die per Erbfall reich gewordene Witwe Hanna ihren Danilo. Der marode Fantasiestaat Pontevedro seine rettenden Millionen. Und das Publikum seine Déjà-vues: Lippen schweigen, 's flüstern Geigen … Ach ja. Wie man Operette darüber hinaus als Kind seiner Entstehungszeit, als utopischen Reflex unmöglicher Lebensträume, gar als spiegelverkehrtes Abbild von Wirklichkeit zu einem Ereignis machen kann, das hatte Peter Konwitschny hier in der Semperoper vor acht Jahren mit seiner »Csardasfürstin« bewiesen. Da wackelte das Haus und nach dessen Einknicken vor engstirnigem Missverstehenwollen auch des Intendanten Stuhl. Danach gab es sogar eine kulturpolitische Debatte. Was waren das für Zeiten!

Diesmal könnte man höchstens eine über Geschmack führen. Denn mit dieser ziemlich unlustigen Witwe ist die Semperoper weit unter ihrem Niveau gescheitert. Die selbstverliebt ausufernde Doppel- Conférence, zu der Gunther Emmerlich seinen Baron Mirko Zeta gemeinsam mit Ahmad Meshgarha vom Staatsschauspiel als Njegus verjuxt, lässt keinen noch so dämlichen Kalauer aus. Viel schlimmer, er macht das nicht mal gut. Übers Singen schweigt man lieber. Petra-Maria Schnitzer zerstörte den Pakt mit dem Publikum, den Hanna Glawari braucht, ausgerechnet mit dem Vilja-Lied. Dem kam auch noch einer von Jérome Savarys meist aufgesetzt wirkenden, pseudoambitionierten Regie-Einfällen in die Quere: Ein Kinofilm aus Pontevedro. Da konnte Bo Skovhus, der als einziger auf Semperstandard überzeugend sang und auch seinen ganzen Sonnyboy-Charme für den Danilo aufbot auch nichts retten. Selbst das hochprofessionell mit seinem Cancan dazwischenfahrende Fernsehballett konnte das Ruder nicht mehr herumreißen.

Respekt vor dem Publikum! Das verweigerte sich den Mitklatschnummern, quittierte Misstöne umgehend. Man ließ sich weder von der verblichenen TV-Prominenz eines Gunther Emmerlich, noch vom vermeintlich weltläufigen, doch ziemlich verblichenen Namen des Regisseurs Jérôme Savary beirren. Höflicher Beifall. Mehr nicht.

Nächste Vorstellungen: 28., 31.12.

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