Den Bundestrainer stört das »Gerede«

56. Vierschanzentournee: DSV-»Adler« hoffen schon zum Auftakt auf ein Wunder

  • Günter Berg, Oberstdorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Skisprung-Bundestrainer Peter Rohwein verstand die Aufregung nicht. Er hatte Martin Schmitt letztes Wochenende nicht fürs Weltcup-Springen in Engelberg nominiert. »Aus meiner Sicht war das eine ganz normale Reaktion. Ich wollte Martin für die Vierschanzentournee aufbauen. Dieser Wettbewerb ist die Krönung einer Springersaison«, blieb der Allgäuer vor dem heutigen Start der 56. Vierschanzentournee in Oberstdorf gelassen.

Auch der viermalige Weltmeister Schmitt reagierte nicht etwa sauer. Er ist dem Bundestrainer vielmehr dankbar: »Er hat viel Verständnis für mich gezeigt. Ich quälte mich eine Woche mit einer Grippe. Da war es gut, dass ich nicht sofort wieder gegen die Weltelite antreten musste.« Der Schwarzwälder segelte dafür auf der neuen Garmischer Schanze beim Interconti-Cup zum Sieg. »Ich denke, dass Martin dadurch an Selbstvertrauen gewonnen hat«, so Rohwein.

Auch wenn die DSV-»Adler« momentan der Weltelite hinterherfliegen, so seien sie trotzdem keine Suppenhühner oder Weicheier, was Rohwein mit dem Hinweis versieht: Michael Neumeyer kämpft sich nach seiner Verletzung tapfer wieder an die Topform heran, und Michael Uhrmann entpuppt sich als eisenharter Bayer.

»Der Junge kann nicht joggen, humpelt nach seinem Beinbruch vom vergangenen Februar durch die Gegend, aber Skispringen kann er«, staunt Gerd Siegmund, Ex-Skispringer, jetzt Skimanager und Eurosport-Co-Kommentator, über Uhrmann. »Dem traue ich sogar einen Podestplatz bei einem der vier Tourneespringen zu«, lehnt sich der gebürtige Sachse Siegmund weit aus dem Fenster.

Im deutschen Tour-Team taucht neben den Etablierten plötzlich wieder der Oberhofer Jörg Ritzerfeld auf. In der bisherigen Saison war von ihm kaum etwas zu hören. Peter Rohwein klärt auf: »Ritzerfeld war im Interconti-Cup eingesetzt. Beim Qualifikationsspringen war er dann der Beste, also habe ich ihn nominiert.«

Obwohl die Übermacht der Österreicher und Norweger erdrückend scheint, hofft nicht nur der Bundestrainer auf ein Wunder: »Die deutschen Skispringer bekamen in den zurückliegenden Jahren gerade bei der Vierschanzentournee immer mal wieder einen Schub. Warum soll das diesmal nicht der Fall sein?«

Der zuletzt wieder in die Kritik geratene Bundestrainer sieht seinen Job auch dann nicht in Frage gestellt, wenn seine Schützlinge nicht zu umjubelten Siegen fliegen: »Alles Gerede von außen hat keinen Zweck. Wir müssen mit den Trainern kontinuierlich weiterarbeiten, anders kommen wir nicht vorwärts.«

Eine Haltung, die Gerd Siegmund nachvollziehen kann: »Manche tun so, als ob wir Toptrainer in Hülle und Fülle hätten. Ich weiß nicht, ob wir in Deutschland schnell einen Besseren als Rohwein finden würden.« Mit Kutin und Horngacher arbeiten zwei Österreicher seit einem Jahr in Hinterzarten und Oberhof. »Bewegt haben beide so gut wie nichts«, illustriert Rohwein die Situation.

Wie aber ist zu erklären, dass Deutschland über die meisten Sportschulen und Schanzen verfügen, die Österreicher aber mit nur einer Sportschule und weit weniger Schanzen auf einem Steigflug scheinen? Peter Rohwein: »Die Österreicher konzentrieren die besten Springer ab einem bestimmten Schulalter an einem Stützpunkt. Dort hat einer das Sagen. Bei uns glaubt jeder, es besser zu wissen als der andere. Am Ende sieht es durch das viele Gerede im Nachwuchs halt so aus, wie es eben im Moment aussieht.«

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