Mühlen als industrielle Geschichte

In Marzahn kann man eine Ausstellung zu Mahlwerken der jüngeren Vergangenheit bestaunen

  • Klaus Teßmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch kein Idee für die Silvesternacht? In der Marzahner Mühle kann man wieder zwischen 23.30 Uhr und 0.30 Uhr zur Besichtigung des Feuerwerks am Himmel von Berlin einkehren. Windmühlen wie hier prägten einst das Bild der Dörfer rund um Berlin. Selbst in der Stadt standen noch vor 100 Jahren Windmühlen. Seit nunmehr 14 Jahren ist die Bockwindmühle am alten Dorfkern eines der Wahrzeichen von Marzahn.

Einst klapperten in Berlin gar über 250 Windmühlen, deren Bedeutung für die Stadt enorm war. Darauf will der Marzahner Müller Jürgen Wolf mit der Sonderausstellung im Marzahner »KulturGut« aufmerksam machen. Zur Zeit der Industrialisierung vor 1900 gab es rund 100 Großmühlen – jede von ihnen verwandelte täglich über 100 Tonnen Getreide in Mehl. »Die meisten Mühlen sind schon vor der Jahrhundertwende verschwunden«, erklärt Mühlenkenner Jürgen Wolf, »sie mussten der wachsenden Stadt weichen oder wurden von den Industriemühlen kaputt gemacht«.

Jürgen Wolf kennt sich aus. Er hat Dokumente, Bauzeichnungen, Fotos, Stiche, Druckstöcke und Ansichten über Mühlen gesammelt. Einige Dokumente sind erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen. Wichtigste Ausstellungsstücke sind für den Marzahner Müller die alten Pläne der Bohnsdorfer Mühle. »Sie steht heute im Museum für Technik, doch die Bauzeichnungen liegen im Mühlenarchiv in Marzahn«, erklärt Wolf.

Er hat sich mit der Geschichte dieser Mühle beschäftigt, die zunächst 1820 in Köpenick errichtet wurde. »Später ist sie nach Bohnsdorf umgezogen«, berichtet Wolf. Dabei wurde sie um 1870 und nochmals 1920 modernisiert, worüber Wolf alle Zeichnungen gesammelt hat.

Im Jahre 1983 wurden die Reste der Mühle gegen harte Westmark von der DDR nach Westberlin verkauft. »Im Museum für Technik wurde sie dann wieder aufgebaut«, erläutert Wolf. Ein Teil des Getriebes aber läuft nun seit 12 Jahren in der Marzahner Bockwindmühle. »Es ist Technik, die jetzt 120 Jahre alt ist und immer noch funktioniert.«

Wolf kann auf viele besondere Baupläne in seinem Archiv verweisen: Auf die Pläne der Humboldt-Mühle in Tegel, der Klostermühle von Spandau, der Walzenmühle und der Hafenmühle aus Neukölln sowie der Zehlendorfer Mühle. Für Jürgen Wolf haben diese alten Dokumente eine große Bedeutung, denn schließlich haben »die Mühlen in Berlin Industriegeschichte geschrieben«.

Doch Pläne finden sich nicht nur im Privatarchiv Wolfs, sondern auch im Marzahner Archiv. Dort lagern alle Baupläne der Mühlenbauanstalt und Maschinenfabrik A. Wetzig, die ein Jahrhundert lang (1878 bis 1979) Mühlen gebaut hat. Deutschlandweit wohl die umfangreichste Sammlung über Mühlen überhaupt. Der Mühlenverein Marzahn präsentiert seine Ausstellung im Mühlenkabinett der Agrarbörse Deutschland-Ost im »KulturGut«, Alt-Marzahn 23, täglich von 9 bis 12.30 Uhr, Anmeldungen für Sonderführungen unter Tel.: 545 8 9 95. Weitere Infos im Internet: www.marzahner-muehle.de

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