Weihnachtsgeld: Rückzahlungspflicht besteht nur bei vertraglicher Grundlage

Arbeitsrecht

  • Lesedauer: 3 Min.
Weihnachten ist zwar vorbei, aber alljährlich ergibt sich in den ersten Monaten des Jahres die Frage, ob Arbeitnehmer ein erhaltenes Weihnachtsgeld oder Gratifikation an den Arbeitgeber zurückzahlen müssen, wenn sie kurze Zeit später aus dem Unternehmen ausscheiden. Hier, so der Stuttgarter Rechtsanwalt Michael Henn, gelte der klare Grundsatz, dass auch Rückzahlungspflichten ausdrücklich vereinbart sein müssen.

Eine gesetzliche Pflicht, so der Fachanwalt für Arbeitsrecht, bestehe nicht. Zu unterscheiden sei insbesondere, ob es sich bei dem erhaltenen Weihnachtsgeld um ein »echtes« 13. Monatsgehalt handle oder um eine Gratifikation. Hier, so Henn, gelte der Grundsatz, dass ein 13. Monatsgehalt in keinem Fall zurückzuzahlen sei, da es sich hier um ein echtes Arbeitsentgelt handle, das für im laufenden Jahr geleistete Arbeit gezahlt werde. Anders, so der Arbeitsrechtler, sei der Fall allerdings, wenn das Weihnachtsgeld als »Gratifikation« gezahlt werde. Diese werde in der Regel für vergangene und zukünftige Dienste gezahlt. Hier kommt es in erster Linie auf die Bedingungen des Arbeitsvertrages, eine etwa bestehende Betriebsvereinbarung oder den geltenden Tarifvertrag an. Gesetzlich sei die Rückzahlungsverpflichtung nicht geregelt.

Habe der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld freiwillig gezahlt, könne sich eine Rückzahlungsverpflichtung auch aus der Bekanntmachung über die Zahlung des Weihnachtsgeldes ergeben.

Eine Rückzahlungsverpflichtung für eine bezogene Gratifikation bestehe nur, wenn diese ausdrücklich vereinbart wurde und die entsprechende Rückzahlungsklausel auch die Voraussetzungen für die Rückzahlung und den »Bindungszeitraum« regele. Andernfalls, so der Arbeitsrechtsexperte, sei die Klausel unwirksam und könne auch nicht im Wege der »ergänzenden Vertragsauslegung« wirksam werden.

Weiterhin dürfe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes auch kein übermäßig langer Bindungszeitraum vereinbart sein. Bei Zahlung von geringfügigen Gratifikationen bis zu 100 Euro sei die Vereinbarung einer Bindungsfrist gar nicht zulässig.

Bei darüber hinausgehenden Gratifikationen, die jedoch ein Monatsgehalt nicht übersteigen, sei eine Bindungsfrist bis zum 31.03. des Folgejahres zulässig, bei bis zu zwei Monatsgehältern bis zum 30.06. des Folgejahres. Dies, so Henn, bedeute allerdings nicht, dass derjenige, der vor Ablauf der Bindefrist sein Arbeitsverhältnis kündigt, sein Weihnachtsgeld in diesem Fall grundsätzlich zurückzahlen muss. Entscheidend sei das Datum des tatsächlichen Ausscheidens aus dem Unternehmen, nicht das Datum der Kündigung.

Wer also z. B. am 15.2. zum 31.3. kündigt, kann auch bei einer Bindungsfrist bis zum 31.3. sein Weihnachtsgeld behalten, da er erst mit Ablauf der Bindefrist aus dem Unternehmen ausscheide. Gerade diese Besonderheit wird oft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verkannt. Und – was auch allzu oft vergessen wird – bei Sonderzahlungen ist der Grundsatz der Gleichbehandlung zu befolgen.

Dazu ein Beispiel: Um zur Sanierung des ins Schleudern geratenen Automobilzulieferers beizutragen, hatten im Jahr 2001 ca. 400 Arbeitnehmer niedrigerem Grundlohn und längeren Arbeitszeiten zugestimmt. 50 Mitarbeiter lehnten die Änderung ihres Arbeitsvertrags ab. Für das Jahr 2003 (und unter Vorbehalt für die Folgejahre) bot der Arbeitgeber den opferbereiten 400 Arbeitnehmern die Zahlung von Weihnachtsgeld an. Die Gruppe der 50 »Ungetreuen« wollte er von dieser Sonderzahlung ausnehmen. Drei von ihnen klagten das Weihnachtsgeld ein und setzten sich beim Bundesarbeitsgericht durch (10 AZR 568, 569 und 570/06).

Dass der Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung die Einbußen der Arbeitnehmer ausgleichen wolle, die einen Beitrag zur Sanierung geleistet hätten, sei zwar prinzipiell zulässig, erklärten die Bundesrichter. Doch nur, wenn der Betrieb dies als sachliches Kriterium für die Sonderzahlung klarstelle: Werde gezielt ein Ausgleich für frühere Opfer geleistet, könne der Arbeitgeber die Mitarbeiter unterschiedlich behandeln, je nachdem, ob sie solche Opfer brachten oder nicht.

Der Begriff »Weihnachtsgeld« werde von den Arbeitnehmern dagegen mit anderen Zwecken verbunden. In der Regel wolle ein Betrieb damit vergangene Leistungen belohnen und künftige Betriebstreue fördern. Wer davon ausgeschlossen werde, fühle sich gemaßregelt und ungerecht behandelt. Weihnachtsgeld müsse der Automobilzulieferer allen Arbeitnehmern zahlen.

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