Konkurrenz nur über gute Produkte

Ver.di-Vize Andrea Kocsis über den Wegfall des Briefmonopols aus Gewerkschaftssicht

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Vize-Vorsitzende (42) der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di leitet den Fachbereich Postdienste.
Die Vize-Vorsitzende (42) der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di leitet den Fachbereich Postdienste.

ND: In der Vergangenheit hat Post-Chef Klaus Zumwinkel angekündigt, dass mit dem Wegfall des Briefmonopols vermutlich weitere Stellen bei dem Unternehmen abgebaut werden. Wie schätzen Sie die zu befürchtenden Konsequenzen für die Arbeitnehmer ein?
Kocsis: Wir gehen nicht davon aus, dass Stellen wegfallen. Denn die Sendungsmengen bleiben ja die gleichen. Allerdings kommen mit dem Auslaufen der Exklusivlizenz 80 Prozent des Sendungsaufkommens überhaupt erst in den Wettbewerb. Das ist ein Volumen von fünf Milliarden Euro pro Jahr. Insofern werden sich perspektivisch die Umsätze und damit auch Arbeitsplätze verschieben.

Ver.di hat also mit dem Post-Mindestlohn Bedingungen für einen fairen Wettbewerb geschaffen?
Wir haben nichts gegen Wettbewerb. Aber er muss fair sein. Die entstehenden Arbeitsplätze müssen existenzsichernd sein, und die Beschäftigten müssen von ihren Löhnen leben können. Mit den Mindestlöhnen von 8 bis 9,80 Euro haben wir eine gute Form der Regulierung geschaffen.

Wir wollen einen nachhaltigen Wettbewerb über gute Produkte und mit motivierten Beschäftigten. Dem krassen Lohn- und Sozialdumping ist ein Riegel vorgeschoben.

Wie funktioniert der europäische Austausch? Konnten Sie von den Erfahrungen der Länder profitieren, die mit der Liberalisierung des Briefmarktes früher begonnen haben?
Im Moment ist es eher umgekehrt. Deutschland nimmt bei der Liberalisierung eine ziemlich einsame Vorreiterrolle ein. In der EU gibt es ansonsten die beiden Liberalisierungsdaten 2011 und 2013. Ver.di hat Kontakte in alle europäischen Länder. Die anderen schauen derzeit gespannt darauf, was hier passiert. Die Niederlande haben ihre Liberalisierungspläne gestoppt, in Frankreich streben die Gewerkschaften des Postsektors sehr umfassende Mindestlohnregelungen an. In Schweden gibt es schon entsprechende Tarifverträge. In Großbritannien gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn, und außerdem sind dort die Markteintrittsbarrieren sehr hoch. Wichtig für uns Gewerkschaften ist, dass auf Ebene der EU die soziale Flankierung des Wettbe-werbs ein Thema geworden ist.

Welche Erfahrungen haben Sie mit anderen Branchen gemacht, die bereits in das Entsendegesetz aufgenommen wurden?
Unsere Kollegen vom Bau sagen uns, der Mindestlohn ist gut. Er hat dort Arbeitsplätze gesichert und nicht vernichtet. Und genau das ist unser Ziel.

Bei der IG BAU gibt es nun die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Erwägen Sie, auch bei den Briefträgern eine entsprechende Kontrollinstanz einzusetzen?
Für die Kontrolle ist der Zoll zuständig. Außerdem kann der einzelne Beschäftigte seinen Lohn einklagen. Ver.di-Mitglieder bekommen dabei Rechtsschutz. Wir gehen nicht davon aus, dass der Mindestlohn massenhaft unterlaufen wird. Briefzustellung ist ein Kontaktberuf und nichts für Dunkelmänner. Wer will schon als Hungerlohnarbeitgeber abgestempelt werden?

Fragen: Ina Beyer

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal