Als in der Wuhlheide Arbeit Strafe war

Ein Film Lichtenberger Jugendlicher über Zwangsarbeit im Nationalsozialismus

  • Hans-Jürgen Neßnau
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Dreharbeiten zu einem Film über das so genannte Arbeitserziehungslager Wuhlheide im Nationalsozialismus untersuchten Lichtenberger Jugendliche Mechanismen der systematischen Ausbeutung von Zwangsarbeitern.

Das Projekt gehört in den Rahmen des Bundesprogramms »Vielfalt tut gut – Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie«. Dafür stehen in Lichtenberg 100 000 Euro zur Verfügung. Für elf Projekte wurden insgesamt 80 000 Euro ausgelobt. Eines davon ist das Heimatgeschichtsprojekt zum Lager Wuhlheide.

Über die Beschäftigung mit historischen Ereignissen vor Ort sollen junge Menschen für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und Rechtsextremismus sensibilisiert werden. Dabei seien neun Schüler und Jugendliche im Alter zwischen 14 und 27 Jahren, erläuterte der künstlerische Leiter Rudolf Freundorfer, freiberuflich beim Jugendbildungsverein Juventus aktiv. Der Film soll nach seiner Fertigstellung Lehrern im Fördergebiet für den Geschichtsunterricht zur Verfügung gestellt werden.

Auf dem Gelände des ehemaligen Arbeitserziehungslagers Wuhlheide am heutigen Tierpark stehen zwei Gedenkstelen. Die Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung und das Bezirksamt hatten im Jahr 2000 beschlossen, damit die dort während des Nationalsozialismus inhaftierten etwa 25 000 Zwangsarbeiter, von denen 3000 ihr Leben lassen mussten, zu ehren.

Die fast zwei Meter hohen Stelen bestehen aus einer dreiseitigen Rahmenkonstruktion aus Stahl, in die eine Stahlplatte montiert ist. Auf der einen Stele ist der Lageplan wiedergegeben, die andere enthält eine Gedenkschrift. An dieser Stelle befand sich von 1940 bis 1945 das so genannte Arbeitserziehungslager der Gestapo, heißt es im Text. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus sechzehn Ländern sowie politisch und aus anderen Gründen Verfolgte des NS-Regimes seien zum Arbeitseinsatz für die Kriegswirtschaft gezwungen, versklavt und misshandelt worden.

Mit dem ab 1940 verstärkten Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener in wehr- und volkswirtschaftlich wichtigen Betrieben der Reichshauptstadt hätten die Fälle von Arbeitsverweigerungen zugenommen, weiß Christine Steer, Leiterin des Bezirksmuseums Lichtenberg. Darin habe sich ein »stiller« Widerstand und die Protesthaltung von ausländischen Zwangsarbeitern gegenüber den Nazis und ihren Schikanen ausgedrückt. Um einer sinkenden Arbeitsmoral und generell dem Widerstand ausländischer Zwangsarbeiter, Kriegsgefangener und deutscher Arbeiter wirksam zu begegnen, wurden diese »Arbeitsverweigerer« zur Umerziehung und als Abschreckung in das so genannte Arbeitserziehungslager Wuhlheide überstellt. Misshandlungen wie häufiges Auspeitschen, fast täglich drei- bis vierstündige »Zählappelle« bei jedem Wetter, Isolierhaft in ungeheizten Räumen führten zu 3000 Todesfällen.

Die Häftlinge des Lagers wurden – einer Weisung Heinrich Himmlers folgend – einer Reihe von Firmen zur Verfügung gestellt. Ihr Arbeitseinsatz oblag überwiegend dem Reichsbahnbauamt. Vor allem wurden Bahnanlagen in Lichtenberg, aber auch in Ahrendsfelde und Mahlsdorf gebaut. Der zwölfstündige Arbeitstag wurde durch lange Anmärsche weit überschritten. Zu den deutschen Antifaschisten, die über das Arbeitserziehungslager Wuhlheide in ein Konzentrationslager gelangten und dort den Tod fanden, gehörten der Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg, der Ringer Werner Seelenbinder und Robert Uhrig.

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