• Politik
  • Nokia-Pläne: Heute großer Protesttag in Bochum

Auftakt zum Kampf um Nokia in Bochum

Betriebsrat Wolfgang Kemper: Ein Handy-Boykott in Deutschland würde den Konzern hart treffen

  • Lesedauer: 3 Min.
Wolfgang Kemper ist Betriebsratsmitglied bei Nokia Bochum. Der 54-Jährige arbeitet seit 33 Jahren für Nokia.
Wolfgang Kemper ist Betriebsratsmitglied bei Nokia Bochum. Der 54-Jährige arbeitet seit 33 Jahren für Nokia.

ND: Für heute hat die IG Metall zu einer Demonstration aufgerufen. Ist sie Auftakt zu einer härteren Auseinandersetzung mit Nokia?
Kemper: Uns haben in den letzten Tagen Solidaritätsbekundungen aus dem ganzen Land erreicht. Natürlich hier aus der Stadt, aus dem ganzen Ruhrgebiet, ja sogar bundesweit zum Beispiel von Opel Rüsselsheim oder VW aus Wolfsburg, aus den Kirchen, von Politikern quer durch die Parteien. Wir brauchen diese Öffentlichkeit, um Druck auszuüben. Noch hat der Nokia-Aufsichtsrat nicht das Aus für uns beschlossen, so dass wir Hoffnungen in Gespräche setzen. Solange wir diese Hoffnung haben, wollen wir kein Porzellan zerschlagen. Aber wir wollen zeigen, dass wir nicht allein stehen. Das wird heute nochmals deutlich werden.

Die Demo beginnt um fünf vor zwölf, aber ist es nicht längst fünf nach zwölf für Nokia Bochum?
Wenn man das Statement der Firmensprecherin hört, dann scheint das so zu sein. Andererseits haben wir von der Firmenleitung die Einladung zu einem Gespräch bekommen. Auch die Bundesregierung hat bereits Gespräche geführt. Noch ist nicht absehbar, wie sich diese Gespräche entwickeln werden. Ich kann nur immer wieder sagen: Wir sind gesprächsbereit, um die Arbeitsplätze hier in Bochum zu halten. Das ist auch wichtig für die Stadt. Nokia zahlt jährlich mit rund 30 Millionen Euro ein Viertel der Gewerbesteuer. Es zeigt auch, dass es Nokia hier nicht so schlecht gegangen sein kann, sonst wären die Zahlungen nicht so hoch.

Was kann der Betriebsrat anbieten, um Nokia umzustimmen?
Wir arbeiten bereits hochgradig flexibel, um kurzfristig auf Nachfrageschwankungen zu reagieren. Sonderschichten müssen nur zwei Tage vorher angekündigt werden und können mit nur einem Tag Vorlauf wieder abgesagt werden. Der Leiharbeit haben wir zugestimmt, um auf der Kostenseite flexibel zu sein. Mehr ist nicht drin. Schon vor einiger Zeit haben wir gemeinsam mit unserem Bochumer-Management ein Finanzierungskonzept für einen neuen Maschinenpark vorgelegt. Unsere Roboter sind rund zehn Jahre alt und müssten erneuert werden, um die immer komplexer werdenden Mobilfunkgeräte günstiger fertigen zu können. Aber da hat sich die Zentrale in Finnland nicht gerührt. Was aus meiner Sicht nicht in Frage kommt, ist Lohnverzicht oder Mehrarbeit ohne Lohnausgleich. Das hat auch bei Siemens-BenQ in Kamp-Lintfort nichts gebracht.

Bei Siemens-BenQ hat man mit Zugeständnissen versucht, den Standort zu retten. Ihre Kollegen bei Opel Bochum haben sich mit einem harten Arbeitskampf gegen die Schließung gewehrt. Welchen Weg geht die Nokia-Belegschaft?
Weder BenQ noch Opel sind mit unserer Situation vergleichbar. In Kamp-Lintfort hat man rote Zahlen geschrieben und man wollte den Standort mit Lohnverzicht und Mehrarbeit wieder flott bekommen. Die Kolleginnen und Kollegen wurden auch entsprechend geködert, mit dem bekannten Ausgang. Wir arbeiten profitabel, schreiben schwarze Zahlen.

Die Kollegen von Opel waren in einer starken Position. Sie arbeiteten in einem Werk, das viele andere Standorte mit produktionswichtigen Teilen belieferte. Ein Stillstand in Bochum drohte Opel hart zu treffen. Das ist bei uns anders. Fällt unsere Produktion aus, dann wird sie eben in Ungarn oder Finnland hochgefahren. Unsere Stärke ist die Solidarität der Region.

Politiker tauschen ihre Nokia-Geräte aus. Wie hart kann ein Boykott den Konzern treffen?
Deutschland ist ein sehr wichtiger Markt, und ein Boykott würde Nokia hart treffen. Ich erinnere an das Beispiel Shell. Als der Konzern ankündigte, seine Ölplattform Brent Spar einfach zu versenken, da hat der Boykott gegriffen. Der Imageschaden ist schon jetzt für Nokia sehr hoch. Die Finnen geben sich gern einen humanitären Anstrich. Wenn die Kunden an ein Handy denken, soll bei ihnen sofort Nokia im Kopf sein. Jetzt denken sie dabei nicht nur an ein Handy.

Fragen: Manfred Wieczorek

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal