Therapie nach Standard

Leitlinien sollen Behandlungsqualität bei Krebs verbessern

  • Gabriel B. Gruner
  • Lesedauer: 3 Min.
Damit Krebskranke in allen Teilen Deutschlands optimal behandelt werden können, sollen verstärkt Leitlinien für Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Krebserkrankungen erarbeitet und flächendeckend umgesetzt werden. Das sieht das »Leitlinienprogramm Onkologie« vor, das die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe vereinbart haben.

»Es darf nicht sein, dass ein Krebs-patient in Kiel anders behandelt wird als in Konstanz, im Saarland anders als in Sachsen«, formulierte Friedrich Carl Janssen, Vorstandsvorsitzender der Krebshilfe, das Motiv der Patientenorganisation, sich verstärkt für die Entwicklung von Leitlinien zu engagieren und dies auch mit 1,4 Millionen Euro jährlich zu finanzieren. Denn in Deutschland erkranken Jahr für Jahr rund 420 000 Menschen neu an Krebs. Und im Jahr 2005 sind 211 400 daran gestorben – trotz aller Fortschritte bei Früherkennung, Bestrahlungs- und Chemotherapien sowie chirurgischen Eingriffen. Diagnostik und Behandlung der auch heute noch potenziell tödlichen Krankheit Krebs müssten in jedem Falle auf Basis der mo-dernsten wissenschaftlichen Erkenntnisse erfolgen, so Janssen, doch werde diese Wissensbasis »bislang noch nicht überall in gleichem Maße in der Patientenversorgung umgesetzt«.

Interdisziplinär von Experten der verschiedensten Fachgebiete erarbeitete, auf wissenschaftlicher Evidenz beruhende sogenannte S-3-Leitlinien, wie es sie bereits für Brust- und Darmkrebs gibt, könnten diese Situation nach Ansicht der Kooperationspartner deutlich verbessern. Dabei gehe es nicht um »Kochbuchmedizin«, sondern um Entscheidungshilfen, betonte AWMF-Präsident Prof. Dr. med. Albrecht Encke. Als »im Konsens formulierte Behandlungskorridore« für die Ärzte charakterisierte sie Prof. Dr. med. Michael Bamberg, Präsident der Krebsgesellschaft. Deshalb sollten sie möglichst flächendeckend umgesetzt werden. Er plädierte zugleich dafür, die jeweiligen Kurzfassungen in einer für Patienten verständlichen Form zu veröffentlichen, die es ihnen erlaubt, sachkundig über ihre Behandlung mitzuentscheiden. Und Janssen betonte: »Der Patient muss den Anspruch haben, leitlinien-gerecht behandelt zu werden.« Die Mediziner unterstrichen, dass es mit der Erarbeitung und ständigen Aktualisierung von Leitlinien nicht getan ist. Ihre Verbreitung, die Förderung ihrer Akzeptanz und die Kontrolle ihrer Umsetzung seien ebenso wichtig. »Wir müssen Überzeugungsarbeit bei den eigenen Kollegen leisten«, so Prof. Encke.

All das kostet natürlich Geld, doch die Partner sind sich einig, dass die Leitlinienarbeit unabhängig von den Interessen der Wirtschaft finanziert werden muss. Da dazu bislang weder die Krankenkassen noch das Bundesgesundheitsministerium bereit waren, sprang die Krebshilfe in die Bresche. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk lobte vor der Presse das Leitlinienprogramm, ging aber auf die Forderung von Krebshilfe-Geschäftsführer Gerd Nettekoven nach »Unterstützung der Politik« nicht weiter ein.

Auch folgende Anmerkung von Prof. Bamberg blieb ohne Reaktion: Hinter vorgehaltener Hand höre man immer wieder, es könne doch nicht gewollt sein, wenn die Verbesserung der Versorgung durch Leitlinien zu höheren Kosten führt. Er hält das aber für unausweichlich, trotz möglicher Einsparungen durch Verzicht auf unzweckmäßige Diagnostik und Therapien. »Auch diese Art der Kosten-Nutzen-Diskussion muss offen geführt werden«, forderte der Mediziner.

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