Die Kämpferin

Simone Veil

  • Ralf Klingsieck
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Ehrenpräsidentin der französischen Holocaust-Stiftung kritisiert Sarkozy.

Die Dusche für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy konnte kälter nicht sein: Seine auf dem jährlichen Ehrenessen des Dachverbandes der jüdischen Organisationen CRIF bekannt gemachte Entscheidung, dass künftig jeder Grundschüler im Lande eine »Gedenkpatenschaft« über ein während der deutschen Besetzung verschlepptes und ermordetes jüdisches Kind übernehmen soll, stieß auf breite Ablehnung. Die schärfsten Worte kamen dabei von der Frau, die bei dem Essen an seiner Seite gesessen hatte – Simone Veil. Ihr sei bei Sarkozys Rede »das Blut in den Adern gefroren«, sagte die Ehrenpräsidentin der französischen Stiftung für das Gedenken an den Holocaust, die selbst als Jugendliche mit ihren Eltern und Geschwistern nach Auschwitz deportiert worden war und nur knapp überlebt hatte.

Das Andenken an die 11 000 ermordeten jüdischen Kinder in dieser Art innenpolitisch zu instrumentalisieren, ohne zuvor Überlebende oder Pädagogen zu konsultieren, sei »unerträglich«, sagte Simone Veil. »Man kann nicht von einem zehnjährigen Kind verlangen, sich mit einem gleichaltrigen getöteten Kind zu identifizieren. Diese Art von Gedenken ist eine zu schwere Last.«

Veil ging damit deutlich auf Distanz zu Sarkozy, mit dem sie befreundet ist, den sie im Wahlkampf unterstützte und dessen unkonventionelle Art sie schätzt. Aber dass sie die Auseinandersetzung nicht scheut, hat sie wiederholt bewiesen. Zur Politik kam die 1927 in Nizza geborene Simone Veil, die Jura und Politikwissenschaften studiert und lange als Richterin gearbeitet hat, erst 1974, als Präsident Valéry Giscard d’Estaing sie zur Gesundheitsministerin machte. Vielen Franzosen ist unvergessen, wie sie 1975 gegen den Widerstand rechter Politiker und der katholischen Kirche das Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch durchgesetzt hat. Von 1979 bis 1982 war Veil Präsidentin des Europaparlaments.

Ihre Erfahrung in Politik und Gesellschaft hat sie nicht nur weise, sondern auch konstruktiv werden lassen. Als Bildungsminister Xavier Darcos jetzt eine Kommission ankündigte, um die eher improvisierte Idee des Präsidenten in ein fundiertes Programm für die Schulen umzusetzen, hat sich Simone Veil zur Mitarbeit bereit erklärt.

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