Ein Herz ist kein Stein

»Der gierige Riese« frisst die Kinderstückbühne

  • Almut Schröter
  • Lesedauer: 3 Min.

Tür und Tor, Bäume, Fußstapfen, Blumen sind auf dem Boden zu sehen. Mit Kreide malt sich die Künstlerin Silke Kruse einen Garten. Das Kreidebild dient ihr als Bühne für das Stück »Der gierige Riese« für Zuschauer ab fünf Jahren in der Regie von Gert Engel.

Keine Spur von einem Riesen. Die Künstlerin malt hier noch Tiere, da noch Blumen. Sie wandert in eine eigene Welt, wie es Kinder aus den unterschiedlichsten Gründen können. Manche unternehmen mal einen kleinen Ausflug, andere bringen sich dort in Sicherheit vor für sie unangenehmen Situationen. Singsang und Wortspiele begleiten Silke Kruse durch ihren Garten. Darin springt sie gedanklich hin und her zwischen Gemeinsamkeiten und Gegensätzen. »...Was ist ein Stein? Ein Stein ist kein Bein, ein Bein ist kein Ohr. Ein Ohr ist hohl. Hohl ist nicht voll, voll ist nicht leer, leer ist nicht schwer, schwer ist der Stein ...«

Fünfzig Minuten dauert der Gartenaufenthalt und beansprucht die Geduld der Zuschauer. Gerade als die Geschichte Länge zu zeigen beginnt und umzukippen droht, tauchen am Boden die Umrisse einer kleinen Puppe auf. Sie sei hungrig, hört man. Nun wandern Früchte, Blumen, Bäume, Tür und Tor in ihren Mund. Sie wächst und wächst. Sie wird zum Riesen und will auch alle Tiere verschlucken. Gleich kommt die Sonne dran.

Vorsichtig regt sich bei den Kindern Protest, Mitgefühl für andere Wesen stellt sich ein. Silke Kruse will ihnen zeigen, dass zwar nun der Bauch des Riesen voll, doch sein Herz leer ist. Hier fehlt der Gedankenweg, wie die Künstlerin ihn beim Stein zelebriert. Was ist ein Herz? Was gehört dort hinein? Was nicht? Warum lässt sie rotes Farbpulver geradezu wuchtig auf des Riesen Herz fallen? Und warum verändert sich dann alles?

Danach versteht sie es, die Geschichte auch textlich überzeugend aufzulösen. Der Riese schrumpft. Der Garten wächst. Tür und Tor sind friedlichem Spiel wieder geöffnet. Plötzlich tauchen Freunde auf, die auch vorab mit ihr Verstecken gespielt hatten. »Ich seh' dich, komm raus!«

Geräusche und musikalische Improvisationen von Gert Engel begleiten das Spiel unaufdringlich. Man möchte meinen, die Kinder nähmen die Tonkulisse gar nicht wahr, weil sie auf die Kreidebilder konzentriert sind. Am Ende wollen sie die merkwürdigen Instrumente erforschen. Eins ist dem Xylofon ähnlich, ein anderes eine Plastikkiste mit darin gespanntem Band. Da sind eine Blechbüchse und zwei Äste, die man aneinander schlagen kann. Mit diesen Sachen kann man also Musik machen.

Im letzten Moment holt sich Engel seine Instrumente von den Kindern zurück, die damit schon aus dem Theater wollten. Fast hätten sie das Orchester »gefressen«. So gehört das Ende der Aufführung Engel. Der Moment vor Beginn auch. Da liefen bei der Voraufführung Kinder auf dem Weg zu ihren Plätzen übers Bühnenbild und signalisierten, dass sie die Idee erkannt hatten – ihre Straßenmalerei.

Heute 10, Sa., So. 15 Uhr, Schaubude, Greifswalder Str. 81, Prenzlauer Berg, Tel.: 423 43 14

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