Zypern stellt die Zeichen auf Hoffnung

Dimitris Christofias ist der erste Linkspolitiker im Präsidentenamt der Inselrepublik

  • Christiane Sternberg, Nikosia
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Sonntag wehte plötzlich ein anderer Wind auf Zypern. An diesem Abend wurde Dimitris Christofias mit 53,37 Prozent der Stimmen zum neuen Präsidenten der Republik Zypern gewählt.

Tausende Menschen waren in die Eleftheria-Halle in Nikosia gekommen, um den Wahlsieger zu feiern. Bildnisse von Che Guevara und Lenin prangten auf roten Flaggen, Sprechchöre ertönten: »Jetzt und für immer – AKEL, AKEL, AKEL!« Konfetti rieselte auf rote Perücken und Pogo tanzende Jungwähler. Die Rede des Führers der Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes (AKEL) ging beinahe unter im Jubel. »Für uns gibt es jetzt nur eine Ideologie – die Rettung Zyperns!«

Auf der Tribüne an der Seite Christofias' standen auch die Männer, die ihm zum Wahlsieg verholfen hatten. Vertreter jener Parteien, die zuvor den bisherigen Präsidenten Tassos Papadopoulos unterstützt hatten – die nationalistische DIKO, die sozialistische EDEK und die Grünen. »Ab morgen«, rief Christofias, »arbeiten wir alle zusammen für ein geeintes Zypern.«

Der »Mann aus dem Volk«, wie er sich selbst bezeichnet, muss nun beweisen, dass die Linke die lange verschleppte Wiedervereinigung der Insel herbeiführen kann. Die Mitglieder und Sympathisanten der AKEL hatten 1974 unter den Nationalisten in Zypern fast ebenso viel zu leiden wie die türkischen Zyprer. Dimitris Christofias (61), der in der Sowjetunion als Historiker promovierte, stammt aus dem Bezirk Kyrenia, im heute türkisch besetzten Norden. Dort ist auch Mehmet Ali Talat aufgewachsen, Präsident der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern. Die beiden Politiker haben bereits telefonisch ein Treffen für die nahe Zukunft vereinbart. Alle Zeichen stehen auf Hoffnung.

Vergessen scheint, dass auch Christofias vor vier Jahren für ein »Nein« zum Vereinigungsplan des damaligen UNO-Generalsekretärs Kofi Annan warb. Der neue Präsident findet heute Worte, die Balsam für die Seele des geteilten Landes sind. »Seit der Unabhängigkeitserklärung 1960 haben die griechischen Zyprer nie versucht, das Vertrauen der türkischen Zyprer zu gewinnen. Wenn wir das könnten, wären dem türkischen Imperialismus die Hände gebunden.«

Der frische Wind, den Christofias in der Zypernpolitik anpeilt, wird zum lauen Lüftchen, wenn es um ökonomische Veränderungen geht. Mit ihm an der Spitze werde es keine sozialistische Revolution geben, beruhigte er die Wirtschaftsbosse schon im Wahlkampf. Eine Kooperation zwischen Staat und privatem Sektor strebe er an, und den einkommensschwachen Zyprern versprach er mehr soziale Unterstützung. Ökonomisch zählt Zypern innerhalb der EU zu den Musterschülern. Die Arbeitslosenquote liegt bei 3,7 Prozent, das jährliche Durchschnittseinkommen bei 12 344 Euro. Kein soziales Krisengebiet.

Kern seiner Aufgabe bleibt die Lösung des Zypernproblems. In seiner ersten Ansprache als gewählter Präsident machte Christofias auch den Wählern seines ausgeschiedenen Kontrahenten Ioannis Kasoulides von der rechten Partei DISY wieder Mut. Er wolle mit allen politischen Kräften gemeinsam für ein neues Zypern kämpfen. Optimisten hoffen, dass nach seiner offiziellen Ernennung am 28. Februar tatsächlich eine Regierung der nationalen Einheit zustande kommt, die den Interessen des Landes dient. Pessimisten sehen in der Verbindung von AKEL, DIKO und EDEK allerdings eine Wiederholung der Regierungskonstellation unter Tassos Papadopoulos. Die künftige Rolle des Altpräsidenten in dieser Ménage à trois ist noch nicht klar umrissen. Vermutungen machen die Runde, dass Papadopoulos, seinerzeit entschiedenster Gegner des Annan-Plans, durch Mitsprache im Nationalrat oder gar als Verhandlungsführer bei den Zyperngesprächen die starre Politik der vergangenen fünf Jahre durch die Hintertür wieder ins Spiel bringen könnte.

Bei allen realpolitischen Widrigkeiten bleibt Dimitris Christofias ein Hoffnungsträger. Auch für die EU und die Vereinten Nationen, die das Zypernproblem lieber heute als morgen gelöst sehen wollen. Er gilt als Mann des Volkes, als Freund der Zyperntürken und als Vertreter einer Linken, die den Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems beinahe unbeschadet überstanden hat. Er gilt aber auch als verlässlicher Bündnispartner für die rechten Parteien in Zypern. Ein Mann, dem man offenbar alles zutraut. Denn auch die Fans des linken Fußballklubs Omonia sind jetzt ganz sicher, dass ihre Mannschaft die nächste Meisterschaft gewinnen wird. Kommentar S. 6

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