Misstrauen gegen Sozialdemokraten

Volksbegehren für Sozialticket beantragt / Ziel erst erreicht, wenn es die Fahrkarten zu kaufen gibt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl die SPD sich jetzt zur Einführung eines Sozialtickets für Bus und Bahn bekannt hat, wird ein entsprechendes Volksbegehren auf den Weg gebracht. Gestern stellte die Initiative klar, dass sie lieber auf Nummer sicher geht: Schönen Worten aus dem Munde der Regierenden seien in Brandenburg keineswegs immer Taten gefolgt.

»Mal sehen, ob dort, wo Sozialticket draufsteht, auch ein Sozialticket drinsteckt«, sagte gestern der Vize-Landesvorsitzende des Arbeitslosenverbandes, Jens Rode, bevor der Antrag beim Landtagspräsidenten Gunter Fritsch (SPD) förmlich eingereicht wurde.

Am Wochenende hatte die SPD auf einer Klausur verkündet, sich hinter die Forderung nach einem Sozialticket stellen zu wollen und es im September einzuführen. Dennoch sieht die Initiative zunächst keinen Grund, ihre Aktion abzubrechen. Sie verweist darauf, dass die SPD erst am 23. Januar im Landtag das Anliegen der Volksinitiative abgelehnt hatte.

»Hinter uns liegen zehn Jahre Sozialabbau«, sagte Thomas Nord, der Landesvorsitzende der Linkspartei. Mehr als eine »vorsichtige Ankündigung« seitens der SPD liege nicht vor, und das sei erfahrungsgemäß vage. Außerdem müsse die SPD ja ihren Koalitionspartner CDU überzeugen. Dennoch werde man sich Gesprächen nicht verschließen, zumal dann nicht, wenn es möglich wäre, Sozialtickets noch günstiger anzubieten als zunächst angepeilt.

Nicht mehr als 30 Euro soll der Fahrschein nach Vorstellung der SPD kosten. Dergleichen hatte die Initiative gar nicht zu wünschen gewagt. Sie forderte ursprünglich nur Tickets zum halben Preis der üblichen Monatskarte. Im Schnitt der Landkreise wären das etwa 38 Euro.

»Politik regiert eben nur auf Druck«, kommentierte Andres Steiner von der Grünen Liga. Carsten Zinn von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nannte die SPD-Ankündigung einen »anständigen Schritt«, erinnerte aber daran, dass auch 30 Euro für arme Menschen eine Summe sind, die ihnen weh tut.

Die Grünen regten an, auch Berlin in den Geltungsbereich eines Sozialtickets einzubeziehen. So könne man der Tatsache Rechnung tragen, dass beide Länder einen gemeinsamen Arbeitsmarkt bilden. Darüber hinaus sei es überlegenswert, an den äußeren Landesrändern den Geltungsbereich der Fahrscheine auf Regionen der Nachbarländer auszudehnen.

Die Landtagsabgeordnete Anita Tack (LINKE) unterstrich, die SPD habe der Linkspartei mit ihrer Ankündigung keineswegs den Wind aus den Segeln genommen. »Unser Ziel ist erst dann erreicht, wenn man das Sozialticket wirklich kaufen kann.« Außerdem habe die Linkspartei noch genügend Munition für den Wahlkampf. Tack erinnerte an Forderungen nach Reformen in der Bildungspolitik und an das Verlangen, dass Firmen nur dann öffentliche Aufträge erhalten sollen, wenn sie Tarif oder wenigstens Mindestlohn zahlen.

Sozialtickets, wie sie in Berlin schon seit 2005 verkauft werden, könnten in Brandenburg zwischen 250 000 und 300 000 Menschen zugute kommen, erklärte Tack. Das Land müsste dafür etwa fünf Millionen Euro Zuschuss aufwenden. Das Volksbegehren kann frühestens im Mai beginnen und dauert dann vier Monate. In dieser Zeit müssten mindestens 80 000 Bürger in Amtsstuben für das Anliegen unterschreiben. Wenn der Landtag danach noch einmal ablehnt, kann ein Volksentscheid anberaumt werden.

Bislang verlief in Brandenburg noch kein Volksbegehren erfolgreich. Mitte der 90er Jahre kam ein Volksbegehren gegen den Bau des Transrapids von Berlin nach Hamburg auf über 69 000 gültige Stimmen. Ein Begehren gegen den Wasserstraßenausbau erreichte rund 58 000 Stimmen.

Die CDU wirft der SPD indes einen Zickzackkurs und Unzuverlässigkeit vor. Offenbar lassen sich die Sozialdemokraten von den Sozialisten treiben, meinte CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek. So sei keine gemeinsame Regierungspolitik möglich. Die CDU sei verärgert. Lunacek will dies im Koalitionsausschuss besprechen.

Man werde mit der CDU reden, kündigte SPD-Fraktionschef Günter Baaske an. »Für uns ist klar: Das Sozialticket kommt. Dafür müssen wir kein Gesetz und keine Verordnung ändern.«

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