Täterinnen im Sinne des Rechts

Grüne fordern mehr Geld und spezielle Beratungsstellen für sexuell ausgebeutete Migrantinnen

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Menschenhandel und Zwangsprostitution bleiben Themen in der Berliner Politik. Mit zwei Anträgen forderten die Grünen gestern im Innenausschuss die bessere Umsetzung einer EU-Richtlinie zur »Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatenangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind ... und die mit den Behörden kooperieren«. Ziel ist es, die Menschenhändler strafrechtlich verfolgen zu können. Auf Bundesebene traten die neuen Gesetze im August 2007 in Kraft.

Häufig haben die Betroffenen das Problem, dass sie Opfer und – in den Augen des Ausländerrechts – Täter zugleich sind. Sie halten sich »illegal« in Deutschland auf oder wurden auf nichtlegalem Wege nach Deutschland gebracht. Zu 80 Prozent sind es Frauen, von denen 70 Prozent Opfer sexueller Ausbeutung wurden.

Die Forderungen der Grünen beinhalten, dass Beratungsstellen und spezialisierte Opferschutzstellen auf sichere finanzielle Füße gestellt werden. Zudem sollen Frauen ein mindestens sechsmonatiges Aufenthaltsrecht erhalten, um sich auf ihre Zusammenarbeit mit den Behörden vorzubereiten und gegebenenfalls notwendige ärztliche und psychologische Betreuung in Anspruch nehmen zu können. Neben der Möglichkeit zu arbeiten und sich fortbilden zu können, ist das Zeugnisverweigerungsrecht für Beraterinnen eine zentrale Forderung.

»In der Regel sind die Frauen, nachdem sie ausgesagt haben, in ihren Heimatländern extrem gefährdet.« Sei es, weil die Familie von der Prostitution erfahren habe oder weil eine Bedrohung von den Schleuserbanden ausgeht, sagte Sabine Bangert, Referentin für Arbeitsmarkt- und Frauenpolitik der Grünen, gegenüber ND.

»Die Gesetzesänderungen müssen sich erst einspielen«, meinte Katrin Adams. Sie ist Geschäftsführerin des KOK e.V. Dem Dachverband gehören bundesweit 37 Organisationen an, die sich gegen Frauenhandel und Gewalt an Migrantinnen einsetzen. Genaue Zahlen, wie viele Frauen in Berlin jährlich von den Regelungen betroffen sind, gibt es noch nicht. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sprach von jährlich rund 30 Frauen, die mit den Behörden zusammenarbeiten, um Menschenhändler zu verfolgen.

Die aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten würden häufig nicht in dem Sinne umgesetzt, dass das Wohlergehen der Betroffenen im Vordergrund stehe, sondern die Strafverfolgung der Täter, kritisierte Adams. KOK e.V. fordere dagegen ein Aufenthaltsrecht unabhängig von der Bereitschaft zur Aussage, weil die Gefahr der Instrumentalisierung der Frauen befürchtet werde. In Berlin werde derzeit eine Stabilisierungs- und Bedenkfrist von mindestens einem Monat eingehalten, sagte Adams. Sollten die Frauen sich nicht dazu entscheiden auszusagen, werde die Ausreise vorbereitet.

Im Innenausschuss wollte man aber nicht so weit gehen. Die Anträge wurde abgelehnt. Körting meinte, man müsse erst einmal abwarten, wie gut oder schlecht das gerade geändert Gesetz funktioniere.

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