Wirklich nur Gewinner?

Verleger und Fernsehen bewegen sich in der digitalen Welt

  • Rainer Braun
  • Lesedauer: 4 Min.
Fernsehen im Internet: Jetzt wird vermarktet.
Fernsehen im Internet: Jetzt wird vermarktet.

Auf den ersten Blick hatte die Präsentation des medienpolitischen Pilotprojekts am Dienstag in der Düsseldorfer Staatskanzlei nur Gewinner. Gastgeber Jürgen Rüttgers (CDU) durfte es als Erfolg verbuchen, dass erstmals eine große Zeitungsgruppe mit der größten ARD-Anstalt im Internet kooperieren will. Schließlich hatte der Ministerpräsident diese Zusammenarbeit auf dem letzten NRW-Medienforum selbst angeregt. Die Bedenken der Kritiker überhörte er dabei so geflissentlich wie die WDR-Intendantin Monika Piel. Denn es darf mit Blick auf die notwendige Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefragt werden, ob es wirklich so eine tolle Idee ist, wenn eine neue Partnerschaft vom Regierungschef persönlich vorgestellt wird.

Unterm Strich dürfen sich aber auch die beiden Medienkonzerne als Gewinner sehen. Die WAZ-Gruppe, weil sie ihr neues Internet-Portal nun mit bewegten Bildern eines seriösen Senders füllen kann und selbst auswählt, wie viele der pro Tag angebotenen Beiträge des WDR sie übernimmt. Dass Qualität ihren Preis hat – dem Vernehmen nach bis zu 3000 Euro für einen dreiminütigen Bericht –, wird Geschäftsführer Bodo Hombach verschmerzen können. Denn der Chef der WAZ-Gruppe weiß auch, dass dem Internet die Zukunft gehört. Bis 2015, so wird prognostiziert, sollen die Werbe-Erlöse hier um 30 Prozent steigen, während der Print-Sektor (minus 15 Prozent), aber auch das Fernsehen (minus 5 Prozent) mit Einbußen rechnen müssen.

Profitieren wird in jedem Fall der WDR, der für sein Tochterunternehmen WDR-Media Group neue Erlösquellen erschließt. Aus rechtlichen Gründen wird nämlich nicht der WDR selbst das operative Geschäft abwickeln. Hinzu kommt, dass der Sender damit seine Defizite bei jüngeren Zuschauern zumindest teilweise kompensieren kann und eine weitere Abspielfläche seiner Produktionen hat. Nicht zu unterschätzen ist freilich auch der strategische Zugewinn der ARD. Denn im Zuge der neuen Kooperation mit der WAZ-Gruppe (Westdeutsche Allgemeine Zeitung, NRZ) dürfte die Ablehnungsfront unter den deutschen Zeitungsverlegern weiter bröckeln, d.h. diejenigen, die den Online-Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender eher ablehnend gegenüberstanden.

Mit Blick auf die Entwicklung auf den Werbemärkten scheint das verständlich, zumal die Auflagen von Regional- und Boulevard-Zeitungen stetig sinken. Gern wird auch auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen hingewiesen, da auch die Internet-Auftritte der öffentlich-rechtlichen Sender gebührenfinanziert sind. Ob freilich der Ruf nach neuen Regulierungen wirklich hilfreich ist oder an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht, steht auf einem anderen Blatt Papier. Man könnte auch zu dem Schluss kommen, dass manche der Akteure in der Medienbranche und der Politik einige Entwicklungen schlicht verschlafen oder bewusst ignoriert haben. Dazu gehört etwa, dass es erst eines Briefs aus Brüssel bedurfte, damit ARD und ZDF wieder intensiver über ihren eigentlichen Programmauftrag nachdenken. Bis 2009 müssen sie eine tragfähige Konzeption vorlegen.

Ob journalistische Belanglosigkeiten wie »Brisant« (MDR), »Hallo Deutschland« (ZDF), »Leute heute« (ZDF) und gar Telenovelas dazugehören, darf bezweifelt werden. Gerade die Boulevardisierung nahm und nimmt insbesondere den Kauf-Zeitungen einen Teil ihres Publikums. Die Politik wiederum gerierte sich zuletzt eher als Bremse technologischer Entwicklungen und legte darüber hinaus ein Verhalten an den Tag, das an Gutsherrenart erinnerte. Denn es ist und war nie Aufgabe der Ministerpräsidenten, direkt in das operative Geschäft öffentlich-rechtlicher Sender einzugreifen, indem sie Ausgaben für PR-Maßnahmen oder eben auch für Online-Auftritte (0,75 Prozent der Etats) deckelten.

Das hat auch dazu geführt, dass dieses Land im internationalen Vergleich im Internet schlechter abschneidet. Gerade weil die Politik gewusst hat, dass die Finnen oder US-Amerikaner früher und schneller Zugang zum Internet fanden, hätte es dieser Fesseln nicht bedurft. Denn klar ist auch, dass sich gewisse technische Entwicklungen nicht aufhalten lassen. Längst haben auch Suchmachinen-Anbieter eigene News-Portale, und auf »youtube« sind ARD- und ZDF-Beiträge unentgeltlich zu sehen. Deshalb wird es zu weiteren Kooperationen kommen – so verhandelt die Süddeutsche Zeitung dem Vernehmen nach mit ARD-aktuell und dem ZDF, der Focus mit dem BR.

Eine spannende Frage ist, ob mit dieser Entwicklung angesichts der Kosten nicht eine weitere Konzentrations-Phase eingeläutet wird, bei der kleinere Verlage auf der Strecke bleiben. Die ARD hat deshalb auch andere Formen der Zusammenarbeit – etwa die Verlinkung – angeboten, bei der nur Streaming-Kosten anfallen. Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, wie tragfähig das Pilotprojekt von WDR und WAZ ist, das voraussichtlich erst im nächsten Monat startet.

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