nd-aktuell.de / 13.03.2008 / Kommentare / Seite 8

Die im Fett schwimmen

Hans-Dieter Schütt

Politikers Handwerk ist das Mundwerk, es mault: Der Staat könne nicht mit klassischer Sozialpolitik jene Aufstiegsmentalität wecken, die den Erfolg Nachkriegsdeutschlands ausgemacht habe. Das sagte dieser Tage Kanzleramtsminister Thomas de Maizière und fügte hinzu: »Wir sind gedanklich und auch sonst am Wohlstand verfettet« – wenn sich sozial schwache Menschen auf den Staat verließen, anstatt für den Aufstieg der Kinder zu sorgen, sei was schiefgelaufen.

Dieser öffentliche Klang, der von oben herab Armut kleinredet, wird schärfer. Das Reden über sozial Schwache gerät mehr und mehr zur teilnahmslosen Registratur einer Spezies, der man auch durch solche Ausdrucksweise, wie sie de Maizière anbietet, jede solidarische Anteilnahme entzieht. Die Arroganz des Kanzleramtsministers erscheint als Reflex auf einen allgemeinen gesellschaftlichen Umgangston, bei dem die Anteilnahme längst im Verdacht steht, Schmarotzertum zu unterstützen.

Kürzlich, in einer Sat.1-Reportage über Obdachlose, diese Sätze: Menschen ohne feste Beschäftigung fehle »das mittelständische Muster der aufgeschobenen Befriedigung«. Warum nicht Klartext? Sie versaufen ihr bisschen Stütze, anstatt an die Kapitalbildung zu denken. So fängt im Verständnis des Kanzleramts offenbar gedankliche Verfettung an. Die im Fett Schwimmenden rufen nach einer Nachkriegsmentalität? Sie geben eine Kriegserklärung ab – gegen Mitgefühl und menschlichen Anstand.