Berlusconi setzt auf Mussolini-Fan

Zeitungsverleger und Faschist Ciarrapico soll bei Parlamentswahl Stimmen bringen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
Wahlkampfskandal in Italien: »Ich sage mich nicht vom Faschismus los und bewundere Mussolini sehr«, erklärte Giuseppe Ciarrapico jetzt in der Tageszeitung »Corriere della Sera«. Trotzdem setzt Silvio Berlusconi den Unternehmer auf die Wahlliste seiner Partei »Volk der Freiheit« (PdL).

»Der Mann ist wichtig, und wir brauchen ihn. Er hat einige Zeitungen, und wenn die uns wohlgesonnen sind, dann ist das gut.« So rechtfertigt Berlusconi die Kandidatur Giuseppe Ciarrapicos für die bevorstehende Parlamentswahl.

Die Antwort des Spitzenkandidaten der Demokratischen Partei (DP), Walter Veltroni: »Diese Erklärung ist ja fast noch schlimmer als der Fakt selbst.« Der 74-jährige Unternehmer Ciarrapico ist wahrlich kein unbeschriebenes Blatt: Herausgeber diverser Lokalzeitungen, Anfang der 90er Jahre Vorsitzender des Fußballclubs AC Rom, mehrmals vorbestraft wegen unsauberer Geschäfte und illegaler Parteienfinanzierung ...

Ein besonders schöner Mann

In jungen Jahren war Ciarrapico überzeugter Faschist, dann schloss er sich den Christdemokraten an, brach aber seine Kontakte zur faschistischen Ultrarechten in Italien nie wirklich ab. Er veröffentlichte die »Gesammelten Werke« von Mussolini, und in den Redaktionen seiner Zeitungen hängen an den Wänden überall Fotos des Diktators. Die Begründung: »Er war ein besonders schöner Mann.« Nun soll Ciarrapico (»Dem Faschismus habe ich nie abgeschworen!«) mit Berlusconis Ticket in den Senat einziehen.

Das ist sogar Gianfranco Fini zu viel. Einst selbst Neofaschist, hatte er den Faschismus zum »absolut Bösen« erklärt, als ihn Berlusconi später in sein politisches Boot holte. Die Kandidatur von Ciarrapico sei einzig und allein dessen Idee gewesen, er, Fini, sei eigentlich dagegen. Lega-Nord-Chef Umberto Bossi, ein weiterer Juniorpartner Berlusconis, forderte sogar klipp und klar den Verzicht Ciarrapicos auf die Kandidatur. Sprachlos gab sich Fiamma Nierenstein, jüdische Journalistin und ebenfalls PdL-Bewerberin. Ihre Kandidatur sei mit jemandem, der den Faschismus nicht verurteilt, nicht kompatibel. Sie sagte allerdings nicht, wie sie überhaupt für eine Partei antreten kann, die ein Wahlbündnis mit der neofaschistischen Minipartei von Alessandra Mussolini eingegangen ist, die ihren Großvater als »größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts« bezeichnete. So wie vor einigen Jahren auch Berlusconi, bevor er sich dann von der Presse missverstanden fühlte. Die »gemäßigten und ehrlichen Menschen« dürften diesen »unaufhaltsamen und unumkehrbaren Rechtsruck der PdL nicht akzeptieren«, so der DP-Vizevorsitzende Dario Franceschini. Beunruhigt zeigte sich auch die Jüdische Gemeinde. Ihr Sprecher Roberto Pacifici erklärte: »Wir verurteilen es ohne Wenn und Aber, wenn sich Politiker auf den Faschismus berufen. Wir sind beunruhigt und besorgt. Und wir werden uns gegen jede Form des Faschismus in unserem Land wehren und hoffen, dass es alle Parteien tun.« Fast 170 Parteien wollen ins Parlament, meist aber fallen sie nur durch ihre mehr oder weniger fantasievollen Namen auf, »Schluss mit dem Müll« etwa oder »Liberale Kleriker«.

Sechs Parteien mit Chancen

Nach wochenlangen Verhandlungen über mögliche Wahlbündnisse weiß man jetzt auch, welche Parteien zumindest theoretisch die Möglichkeit haben, die Vier-Prozent-Hürde zu nehmen. Neben PdL und DP sind das die Regenbogen-Linke von Fausto Bertinotti, das Zentrum von Pierferdinando Casini, die Ultrarechte von Francesco Storace und die Sozialisten von Enrico Boselli.

Dass der Wahltermin 13. April immer näher rückt, merkt man auch daran, dass im Fernsehen außerhalb der offiziellen Wahlsendungen jegliche politische Anspielung verboten ist, die die Zuschauer in Richtung irgendeiner Partei beeinflussen könnte. Man sieht es auf den Straßen, wo an allen Häuserwänden Plakate kleben, die einstimmig als hässlich oder langweilig beurteilt werden. Der Slogan von Berlusconi lautet: »Erhebe dich, Italien«, was irgendwie kirchlich klingt. Veltronis DP setzt auf Barack Obamas »Yes, we can«. Zugleich häufen sich die Umfragen, die sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wer sie in Auftrag gegeben hat. Vor allem Berlusconi wirft mit Zahlen nur so um sich: Für ihn hat sein »Volk der Freiheit« die absolute Mehrheit der Stimmen schon im Sack – aber man hat den Eindruck, dass er selbst nicht an diese Prognose glaubt. Versucht man, einen einigermaßen verlässlichen Mittelwert aller Umfragen zu ermitteln, ergibt sich folgendes Bild: Die PdL liegt bei 43 Prozent mit sinkender Tendenz. Die DP holt mit großen Schritten auf und hat jetzt 36 Prozent. Die »Regenbogenlinke« liegt bei etwa acht Prozent, das Zentrum bei sechs, die Ultrarechten verbuchen 2,5 und die Sozialisten 1,5 Prozent, wobei letztere durchaus noch Chancen auf einen Einzug ins Parlament haben.

Auf dem Papier könnten beide großen Parteien mit entsprechenden Koalitionen durchaus eine Mehrheit bilden. Die Realität sieht aber anders aus: Das »schweinische« Wahlgesetz (so von der rechten Koalition bezeichnet, die es vor drei Jahren selbst durchs Parlament geboxt hat) sieht vor, dass zumindest in der Abgeordnetenkammer die Partei 55 Prozent der Sitze erhält, die wenigstens eine Stimme mehr als ihre Konkurrenten bekommen hat.

Damit könnte Berlusconi auch mit 40 Prozent der Stimmen über die absolute Mehrheit verfügen – selbst wenn die DP 39,9 Prozent erreichen würde. Im Senat, der zweiten Kammer, könnte sich dagegen durchaus erneut eine Pattsituation ergeben, wodurch das Land (wieder einmal) unregierbar werden würde.

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