nd-aktuell.de / 13.03.2008 / Politik / Seite 4

LINKE Programmverstümmelung

Christa Müller sorgt mit absurdem Vergleich erneut für Aufruhr

Uwe Kalbe
Die Programmdebatte der LINKEN sollte nach dem Willen der Führung eigentlich etwas harmonischer ablaufen. Im Augenblick wird sie durch eher schrille Töne beeinflusst. Das Thema Familienpolitik bietet den jüngsten Anschauungsfall.

Für die Kommission aus 14 Mitgliedern hinter den Kulissen mag das Drama auf der Bühne Grund zum Kopfschütteln sein. Die Partei hat ihr Zeit eingeräumt für gründliche Diskussionen, die 2010 abgeschlossen sein dürften. »Zeitnah nach der Bundestagswahl«, wie Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch formuliert. Bausteine werden schon die Programme zur EU-Wahl und zur Bundestagswahl 2009 bilden. Bis dahin gelten die zum Fusionsparteitag beschlossenen programmatischen Eckpunkte. »Nur, weil in jeder zweiten Talkshow behauptet wird, die LINKE habe kein Programm, stimmt das ja nicht«, so Bartsch.

Doch manchmal wird die Gelassenheit der Beteiligten arg auf die Probe gestellt. Wenn etwa, wie jetzt geschehen, der Programmpunkt »Familienpolitik« öffentlich und außer der Reihe aufgerufen wird. Erneut ist es Christa Müller, familienpolitische Sprecherin der LINKEN an der Saar und Ehefrau von Parteichef Oskar Lafontaine, die für ein Ansteigen des Geräuschpegels sorgt. Nach ihren umstrittenen Äußerungen über die »Fremdbetreuung« von Kleinkindern in Kitas und ihrem Eintreten für ein Erziehungsgeld für daheimbleibende Mütter hat sie nun erneut für Furore gesorgt. Gegenüber Spiegel-online stellte sie die Genitalverstümmelung von Mädchen in afrikanischen Ländern mit dem »seelischen Leid« von Kindern in Kindergärten auf eine Stufe. »Bei der Genitalverstümmelung handelt es sich um Körperverletzung, bei der Krippenbetreuung in einigen Fällen um seelische Verletzung – und die ist manchmal schlimmer als Körperverletzung«, artikulierte Müller auf Nachfrage des Journalisten. Müller engagiert sich seit Jahren in einem Verein gegen Beschneidungen von Mädchen, den sie gegründet hat.

Die Äußerungen haben zu Unmut besonders bei Mitgliedern der Partei im Osten geführt. Die frauenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion; Kirsten Tackmann, distanzierte sich gleich namens der LINKEN von Müllers Äußerungen. Der Vergleich einer grausamen Menschenrechtsverletzung mit öffentlicher Kinderbetreuung, sei »zynisch und bringt das Fass zum Überlaufen«. Müller beleidige so vor allem ostdeutsche Biografien.

Müllers Position ist jedoch nicht ungeschehen zu machen, auch wenn Tackmann auf klare Mehrheiten in der Partei und gegenüber ND auf die Eckpunkte verweist. Zumal Müller geltend macht, dass mit einem Erziehungsgeld die Mütter der Ausbeutung durch die Wirtschaft entzogen wären – eine These, der sie gar einen emanzipatorischen Anspruch zuweist. Doch damit bringt sie die Partei erst recht in Wallung. Oskar Lafontaine, der in letzter Zeit selbst zum Anlass kritischer Debatten in der Partei geworden war, verweigert jeden Kommentar zum Streit über die Äußerungen seiner Frau. Die Positionen der Partei seien klar. Die Vermutung ernster Differenzen in der Partei sei »unbegründet«. Und dass diese erfolgreich ist, zeigten ja Wahl- und Umfragewerte.