Bewährung für Bundeswehr-Schleifer

Nach einem Jahr: Gericht in Münster sprach Urteile zum Coesfeld-Skandal

  • Lesedauer: 2 Min.
Fünf Mal Bewährung, eine Geldstrafe und vier Freisprüche: Im Prozess um die Misshandlung von Bundeswehrrekruten in einer Coesfelder Kaserne sprach das Landgericht Münster am Mittwoch die Urteile.

Berlin (ND/Agenturen). Nach Ansicht des Gerichts hatten die Angeklagten im Sommer 2004 bei vier simulierten Geiselnahmen mehr als 160 Rekruten der Freiherr-vom-Stein-Kaserne misshandelt und in einigen Fällen entwürdigend behandelt. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert. Keiner der Rekruten habe sich über die Übungen beschwert oder sei zu Schaden gekommen. Die meisten von ihnen hätten die Übungen als erlebnisreichen und innovativen Höhepunkt ihrer Grundausbildung geschildert.

Mit den Urteilssprüchen ist ein Prozess zu Ende gegangen, der sich über ein Jahr hinzog. Die lange Dauer und die große Zahl von mehr als 200 Zeugen trieben die Prozesskosten in die Höhe. Sie sind nun von den Verurteilten zu begleichen. Es handelt sich um jeweils 50 000 Euro.

Auf der Anklagebank hatten ursprünglich 18 Angeklagte gesessen. Einer von ihnen wurde bereits zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, fünf erhielten Geldstrafen. Zwei weitere wurden freigesprochen.

Dem Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), gab zu denken, dass sich kein Betroffener an ihn gewandt hat und alles durch Zufall ans Tageslicht gekommen sei. Der verteidigungspolitische Sprecher der Bundestags-LINKEN, Paul Schäfer, meinte, weder der militärischen noch der politischen Führung der Bundeswehr stehe es an, die Urteile zu instrumentalisieren, um alle Verantwortung auf die Coesfelder Täter abzuschieben. »Das grundsätzliche Problem, das zu den nun bestraften Exzessen geführt hat, ist mit den Urteilen indessen nicht gelöst: Der Prozess hat einen grundsätzlichen und höchst bedenklichen Mangel an Sensibilität für Menschenrechte und Menschenwürde in der Truppe offengelegt.«

Für den Bundeswehrverbandes ist das Urteil ein »Startschuss« für die »disziplinarische Aufarbeitung«. Der Verbandsvorsitzende Bernhard Gertz sagte, dass nun untersucht werde, ob die Vorgesetzten gegen ihre Pflichten verstoßen hätten.

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