nd-aktuell.de / 17.03.2008 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Den Süden mitdenken

Tagung über Landwirtschaftsprobleme in der globalisierten Welt

Siegfried Kuntsche
»Europäische Agrarpolitik fair gestalten zur Stärkung bäuerlicher Familienbetriebe weltweit!« Über dieses Thema diskutierten dieser Tage Milchbauern aus Deutschland und Vertreter von Kleinbauernorganisationen aus acht Entwicklungs- und Schwellenländern auf einer internationalen Tagung im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Veranstalter waren die Hilfsorganisation Brot für die Welt und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.

Über 850 Millionen Menschen in der Welt hungern. Die Hälfte davon sind Kleinbauern. Gleichzeitig haben sie »eine Schlüsselstellung im Kampf gegen den Hunger«, erklärte Carolin Callenius von der evangelischen Hilfsorganisation Brot für die Welt. Eine faire Europäische Agrar- und Handelspolitik sei notwendig, um die Märkte der Entwicklungsländer vor Billigimporten aus EU-Ländern zu schützen.

Philip Ombidi von den »Inter Diocesan Christian Community Services« aus Kenia berichtete, der Import von Milchpulver durch multinationale Konzerne gefährde die heimische Milcherzeugung und habe 600 000 bäuerliche Familien erwerbslos gemacht. Übereinstimmend werteten die Teilnehmer aus der Dritten Welt die Agrarimporte aus dem Norden als Dumping, obwohl die EU vor drei Jahren von Exportsubventionen Abstand genommen hat.

Deutsche Milchbauern kritisierten die aktuellen EU-Reformpläne. Werde die Milchquote ab 2009 erhöht und schließlich ganz aufgehoben, so werde eine steigende Produktion unter marktwirtschaftlichen Bedingungen die Milchpreise nach unten drücken. Das werde weitere bäuerliche Milchproduzenten in Deutschland zum Aufgeben zwingen und gleichzeitig durch Niedrigpreise auf dem Weltmarkt die Existenz vieler Kleinbauern in den Entwicklungsländern gefährden.

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Direktorin von Brot für die Welt, bezeichnete nachdrücklich das Recht auf Nahrung als eines der grundlegenden Menschenrechte und forderte eine Kohärenz von Entwicklungs-, Agrar- und Handelspolitik. Mit Blick auf den Bundestag merkte sie zugleich kritisch an, die Debatten seien noch auf Deutschland konzentriert, ohne den EU-Rahmen und die eigene Verantwortung in der globalisierten Weltwirtschaft mitzudenken.

Der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, selbst Mitglied des EU-Agrarausschusses, unterstützte die kritische Sicht auf die beabsichtigten Neuregelungen zur Milchquote. Karin Kortmann, Parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfeministerium, wünschte eine stärkere Durchsetzung von Nachhaltigkeitsprinzipien in der Arbeit aller Ressorts der Bundesregierung. Sie favorisiere »fairen« statt »billigsten Einkauf«.

Der Tagung wurde ein mit Vertretern aus den Entwicklungsländern erarbeitetes Dialogpapier übergeben. Es formuliert als Leitsätze: soziale Landwirtschaft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, Bewahrung der Naturressourcen bei der Produktion von Nahrungsmitteln und Energiepflanzen, Recht auf Gentechnikfreiheit, gesicherter Zugang aller Menschen zu den Nahrungsgütern, Priorität lokaler und regionaler Märkte, Verantwortung der nationalen Agrarpolitik auch für den ländlichen Raum in Entwicklungsländern.