Polizei in Leipzig strapaziert

Hundertschaften wegen »schwieriger Sicherheitslage« im Einsatz

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine Woche nach gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Leipziger Halbwelt mit einem Toten hat die Polizei am Wochenende für Ruhe gesorgt – unter Aufbietung letzter Reserven.

In Chemnitz und Leipzig mussten am Wochenende zwei Fußballspiele abgesagt werden. Der Grund dafür: Die sächsische Polizei ist am Limit. Man habe »keine Reserven«, so Innenminister Albrecht Buttolo. Der CDU-Politiker sprach von einer »schwierigen Sicherheitslage«.

Auslöser sind Auseinandersetzungen in der Halbwelt von Leipzig, die in den Medien etwas blutrünstig als »Disko-Krieg« bezeichnet werden. Seit Monaten liegen in der Stadt Sicherheitsfirmen, die Diskos und Klubs bewachen, und Gruppen von Drogenhändlern im Clinch. Die Polizei hatte zuletzt versucht zu vermitteln. »Es sah«, sagte Polizeipräsident Bernd Merbitz, »nach Frieden aus.«

Der Eindruck trog. Am 8. März kam es im Kneipenviertel mitten in der Innenstadt zu einer Eskalation, bei der ein unbeteiligter 28-Jähriger durch einen Kopfschuss getötet und der 37-jährige Chef einer Sicherheitsfirma durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt wurde. Tage später brannte eine Turnhalle aus, in der Wachleute Kampf-sport trainiert hatten.

Die Behörden reagierten mit rigiden Maßnahmen. In der Leipziger Innenstadt, die wegen der Buchmesse gut gefüllt ist, sind Polizisten omnipräsent; ein Kontrollbereich, der Überprüfungen ohne konkreten Verdacht ermöglicht, wurde eingerichtet. Für das Wochenende waren 15 Hundertschaften in die Stadt beordert worden, neun aus anderen Ländern.

Grund für die massive Präsenz war nicht nur die Sorge um Racheakte in der Szene, sondern auch eine rechtsextreme Demonstration, die von der Stadt aber verboten wurde. Die NPD schlachtet das Thema unter Verweis auf die ausländische Herkunft einiger Beteiligter ungeniert aus und spricht von einer Leipziger »Blutnacht« – eine verräterische Anspielung auf ein Ereignis vor 79 Jahren: Als »Blutnacht von Wöhrden« bezeichnete die NSDAP einen Konflikt zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten mit drei Toten am 7. März 1929 in Dithmarschen, den Hitler und die NSDAP für einen Propagandafeldzug nutzten.

Während in Leipzig nun die Polizei für Ruhe sorgt, führt der Türsteher-Konflikt zu Scharmützeln zwischen Buttolo und Leipzigs SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung. Der CDU-Minister hatte diesem in einem Brief »Untätigkeit« vorgeworfen: Es sei den Bürgern »nicht zuzumuten, dass ihre Stadt regelmäßig Schauplatz von Auseinandersetzungen aller möglicher krimineller Gewalttäter mit der Polizei ist«. Jung schimpfte daraufhin, das Schreiben sei »beispiellos und empörend« sowie ein »durchschaubares Manöver, um von der eigenen Untätigkeit abzulenken«.

Die LINKE will die Leipziger Vorfälle jetzt im Landtag thematisieren. Die Gewerkschaft der Polizei fordert derweil den Stopp des Stellenabbaus: Man könne zwar das Alltagsgeschäft noch absichern, sei bei jedem zusätzlichen Vorfall aber hoffnungslos überfordert.

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